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Anleitung zum Alleinsein

Anleitung zum Alleinsein

Titel: Anleitung zum Alleinsein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Franzen
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Service ein teures Ideal ist; sie würde das Geld des Steuerzahlers kosten. Daher kann es sein, dass der United States Postal Service privatisiert wird, was bedeuten würde, dass man lukrative Märkte wie Wilmette und den zentralen Geschäftsbezirk «Chicago Loop» an den Meistbietenden verkauft und diePost als unterfinanzierter Rumpf zurückbleibt, als Spediteur der letzten Hoffnung, der die Armen in Stadt und Land versorgt.
     
    Um 14.30   Uhr an einem schwülen Sommernachmittag fahre ich vom Loop auf einem Superhighway Richtung Westen. Solange ich mich in der Stadt aufhielt, brauchte ich zu einer Verabredung nie mehr als fünfundzwanzig Minuten, entweder mit der Hochbahn oder zu Fuß. Auf dem nationalen Straßenverkehrsnetz erreiche ich die Stadtgrenze bei aggressiver Fahrweise in einer knappen Stunde. In den Vororten ist der Verkehr nicht besser. Stoßstange an Stoßstange schieben sich die Autos auf Straßen, die verbreitert oder, während wir noch darauf fahren, erneut verbreitert werden, westwärts. Erst an meinem Zielort, einem neuen Verteilerzentrum der Post in Carol Stream, haben die Industrieparks und Wohnhäuser ihren Vormarsch über die Getreidefelder vorübergehend eingestellt.
    Die Überlebenshoffnungen der Post gründen auf Wachstum. Um eine Gebührenspirale zu vermeiden, müssen Verluste im privaten Briefverkehr mit Gewinnen im Infopost-Bereich aufgefangen werden. In den Vereinigten Staaten fließt schon jeder fünfte Werbedollar ins Direktmarketing, und William Henderson zufolge wird diese Zahl noch steigen, wenn die Firmen erst das Potential erkennen, das im Versenden von Werbung zusammen mit Rechnungen oder Scheinrechnungen liegt. Besonders aufregend findet er die gegenwärtige Verbreitung von Kreditkarten.
    Um mit dem wachsenden Volumen Schritt zu halten, wird die Post der Zukunft noch stärker automatisiert werden müssen, und in Carol Stream ist die Vollautomatisierung fast schon Wirklichkeit geworden. Die Anlage ist ein technologisches Ausstellungsstück mit kaugummikugelfarben lackierten Förderbändern, Füllzylindern und Transportstraßen sowie einem Kontrollraum,auf dessen freundlichen CR T-Bildschirmen man nur einen interessanten oder problematischen Knotenpunkt anzutippen braucht, und schon interagiert er mit einem. Es gibt Maschinen, die Umschläge, sortierend und umsortierend, in die Reihenfolge bringen, in der der Postbote sie zustellt. Eine Maschine sprüht auf die Rückseite eines jeden handschriftlich adressierten Briefs einen phosphoreszierenden Strichcode und sendet eine Videoaufnahme der Adresse nach Knoxville, Tennessee, wo Personal die Postleitzahl liest und eingibt, bevor sie dann nach Carol Stream zurückgebeamt und in Form eines schwarzen Strichcodes auf die Vorderseite des Umschlags aufgebracht wird. Getöse kommt von den Formattrenn-, Aufstell- und Entwertungsmaschinen, von optischen Klarschriftlesern, von Briefsortiermaschinen, von herumfahrenden elektrischen Gepäckzügen, von Hakenbändern und Großformatsortieranlagen und DBC S-Systemen , doch es ist ein gleichbleibendes, ein stabilisierendes Getöse. Das einzige Produkt, das diese Anlage herstellt, ist Ordnung. Der Strom, der in eine Ordnung gebracht wird, ist vornehmlich weiß. Er passt angenehm zu den Gurtbandförderern und roboterartigen Greifern. Er fließt, er flüstert. Er heißt «Poststrom», und anders als der Post im Chicagoer Hauptpostamt geht ihm das erkennbar Persönliche hier völlig ab. Ich empfinde eine absurde Freude, als ich in einem Päckchensack mit dem Etikett «Nixie» eine einsame wattierte, etwas angestoßene Wurfsendung entdecke, die an eine Bereichsnummer in Prudhoe Bay, Alaska, adressiert ist und als Absender «Ungewiss, Texas», nennt.
    Von Carol Stream fahre ich vorbei an Sojabohnenfeldern und einer Fabrik, in der das Malzgetränk Zima abgefüllt wird. Am Ende einer zwölfhundert Meter langen und bloß ein Geschäft tiefen Einkaufszeile stoße ich auf K’s Mail Center, einen hellen, sauberen Laden, der nicht nur mit Briefkästen und amerikanischen Briefmarken aufwartet, sondern auch mit einem Notardienst, einem Normalpapierfax, Desktop-Publishing,einem Schlüsseldienst, Packpapier und lustigen Grußkarten. Der Besitzer, ein sympathischer Einwanderer aus Nigeria namens Chris Kator, hat lange Öffnungszeiten und bietet jeden nur denkbaren Versandservice an. Er erzählt mir, er habe sein Franchise-Geschäft wegen der Synergieeffekte zwischen den Diensten, die er anbiete, aufgemacht, wegen

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