Anleitung zum Alleinsein
daran, die tiefen strukturellen Probleme anzugehen, die sie vorfanden, sondern wollten vielmehr (wie Celestine Green) die Insignien der Macht erwerben, deren sich die alte herrschende Gruppe so dauerhaft erfreut hatte. Das Grundübel für die Chicagoer Post ist die Kluft zwischen den zwei Schichten der amerikanischen Gesellschaft, die nirgendwo sichtbarer wird als in Großstädten und die heute außer von dem umfassenden Service der Post kaum noch überbrückt wird. Maximaler Reichtum und Spitzentechnologie finden sich Seite an Seite neben einer städtischen Unterschicht der zweiten und dritten Generation, die in einer Stelle bei der Post weniger einen Zuwachs an Verantwortung denn an staatlich finanzierten Leistungsansprüchen sehen dürfte. So wütendCampbell über den Betrug des Post-Managements an der Öffentlichkeit war, war sie nicht weniger wütend über den Betrug an den neu eingestellten Arbeitskräften. «Die
wollen
doch ausgebildet werden», sagt sie. «Die
wollen
Anleitung. Aber wenn sie es mit einem zu tun haben, der in seinem Büro eine Tasse Kaffee schlürft und mit Janie von der Nachbarfiliale telefoniert, kriegen sie die Dinge nicht in den Griff.»
Sosehr die Großstädte der Post auch zu schaffen machen, generieren sie doch das hohe Postaufkommen, das den umfassenden Service erst rentabel werden lässt. Wenn sie strukturell zu einem langsameren Service verdammt sind, wie Henderson es andeutet, dann leidet etwas darunter – die Post oder die Städte. Und eins ist klar, die Städte leiden schon jetzt. Indem der schlechte Postservice die Lebensqualität mindert und die Betriebskosten erhöht, trägt er dazu bei, dass Firmen und wohlhabende Privatpersonen in die Vororte flüchten. Ein Prozess, der engagierte Stadtbewohner wie Marilyn Katz umtreibt. «Für mich», sagt sie, «sind die Städte der Lebensnerv der Kultur, der Lebensnerv der Demokratie, denn sie gehören zu den wenigen Orten, wo es ein echtes Miteinander verschiedenartiger Menschen gibt. Indem die Gesellschaft vielschichtiger wurde, ist unter anderem eines passiert, nämlich dass die Städter in beinahe jedem Bereich des öffentlichen Dienstes zu Bürgern zweiter Klasse wurden. In Wilmette funktioniert die Post. In Chicago nicht.»
Der Post wiederum tut die Abwanderung nach Wilmette nicht weh. Bedrohlich aber ist die virtuelle Abwanderung, die Abwanderung in alternative Systeme der Informationsübertragung. Bei der Firmenkorrespondenz, die nach Schätzungen der Post während der letzten fünf Jahre um ein Drittel zurückgegangen ist, zeigt sich der Einfluss von Fax und E-Mail am deutlichsten. Bislang wird dieser Verlust von einem steten Strom von Werbebriefen und Postwurfsendungen aufgewogen. Und rührige Streiter für die Post wie William Henderson geben sich überzeugt,dass sie trotz des Ausbaus der nationalen Datenautobahn, für die Vizepräsident Gore so leidenschaftlich eintritt, noch lange nicht ausgedient hat. «Die Post ist heute das interaktivste Produkt der Vereinigten Staaten», sagt Henderson. «Einen Brief können Sie in die Tasche stecken und überall lesen. Er bietet ein Maximum an Interaktivität.»
Das Problem ist nur, dass die Post gar keinen großen Umsatzrückgang braucht, um in ernste Schwierigkeiten zu geraten. Bei seinem ersten Auftritt vor dem Kongress 1992 führte Marvin Runyon aus, dass höhere Portokosten manche, die mit Postwurfsendungen haben, schon zu alternativen Werbemethoden getrieben haben, dem Fernsehen etwa oder Flyern, die man an den Türknopf hängt. «Wenn wir die Gebühren erhöhen», sagte Runyon, «wird die Post von außen her privatisiert. Nicht von uns, sondern von außen her.»
Wegen ihrer Verpflichtung auf einen umfassenden Service erwachsen der Post hohe infrastrukturbedingte Fixkosten. Anders als die meisten normalen Unternehmen kann sie nicht schrumpfen oder wachsen. Daher braucht das Internet sie gar nicht erst veralten zu lassen, es kann sie auch so in eine Krise stürzen. Allein schon die Existenz der Datenautobahn ist eine zunehmend interessante Alternative. Falls genügend Postkunden, private wie geschäftliche, sie nutzen, wird das eine ökonomische Unwetterspirale aus steigenden Gebühren sowie abnehmendem Service und Postaufkommen zur Folge haben. Wenn das geschieht, hat der Kongress zwei Möglichkeiten: subventionieren oder privatisieren. Die Rückkehr zur Subventionierung der Postgebühren aus Bundesmitteln würde das ehrliche Eingeständnis erfordern, dass ein umfassender
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