Anleitung zum Müßiggang
College herumlungern, umringt von einer Schar junger Semester, die er mit seinen Sprüchen ergötzte und von der Arbeit abhielt, falls er sie nicht geradezu aufhetzte, sich gegen die Schulordnung zu vergehen.
Bischof Percy erinnert sich an Dr. Johnson in Oxford,
aus: James Boswell: Life of Samuel Johnson (1791)
Es ist 11 Uhr, und der Müßiggänger hat das Gefühl, dass es Zeit für eine Pause ist. Um ein bisschen was zu schnabulieren, für eine Kaffeepause, eine Teepause, eine Glimmstängelpause. In England gibt es sogar ein Wort dafür: »elevenses«. Graham Greene, der das Glück hatte, in einer Zeit zu leben, in der das Trinken von Alkohol noch nicht in einem derartig absurden Ausmaß für krankhaft erklärt wurde, trank den ersten Cocktail des Tages um 11 Uhr vormittags. Klar, das ist die Stunde der Bummler. Es ist die Zeit, zu der man haufenweise Büroangestellte sich in Türeingängen zusammendrängen und eine heimliche Fluppe rauchen sieht; Schuljungen mit schief sitzenden Schlipsen lachend und rauchend in Cafés; andere Jungen in Spielhallen; Mädchen, die auf Parkbänken schwatzen. In den Klassenzimmern blickt einer ganz hinten tagträumend aus dem Fenster. Zu Hause sitzen die, die sich krank gemeldet haben, vor dem Fernseher oder starren an die Decke. Was haben alle diese Leute gemeinsam? Sie sind Bummler, und sie lehnen sich auf.
Bummeln ist ein direkter Akt der Auflehnung gegen die trockenen Lebensphilosophien, die uns auf der Schule und bei der Arbeit eingebläut werden, der Gedanke: Leiden jetzt, Vergnügen später. Nun, diese Art zu denken ist jedem Müßiggänger ein Gräuel. Er kann nicht bis morgen warten. Er glaubt, dass das Aufschieben des Vergnügens einer imaginären stabilen Zukunft zuliebe ein bourgeoises Märchen ist. Daher beschließt er, den Tag zu nutzen, und reißt aus. Bummeln ist ein Ausdruck des individuellen Willens gegen die Unterdrückungsmaschinerie. Bummeln ist Leben im Jetzt, es ist Freiheit, es ist zugleich ein Tritt in den Hintern der Autorität und ein Vergnügen an sich.
Das große Vergnügen am Bummeln ist, dass man nicht arbeitet, wenn man eigentlich arbeiten sollte. In meinem Fall könnte es heißen, dass ich im Zimmer herumlaufe, viel Zeit mit E-Mails und Wörterzählen verplempere, wenn ich eigentlich schreiben sollte. Jerome K. Jerome hat dieses Vergnügen beobachtet und in dem wunderbaren Satz festgehalten: »Es macht keinen Spaß, nichts zu tun, wenn man nichts zu tun hat.« Jerome, dessen Herumtrödeln darin bestand, dass er maßlos viel Zeit über maßlos wenig Arbeit zubrachte, fuhr fort: »Nichtstun und Küsse muss man sich rauben, damit sie süß sind.«
Und zu sanktionierten Zeiten wie Wochenenden, Pausen und Feiertagen zu bummeln, herumzutrödeln oder zu spielen ist in Ordnung, aber das wahre Vergnügen erfährt man, wenn man nicht arbeitet, während andere schuften. Zu wissen, dass Jenkins in einer Doppelstunde Mathe schwitzt, während man selber in einem Café vor einer Tasse Tee sitzt, steigert das Vergnügen ums Tausendfache. Es macht keinen Spaß, sich am Samstag den Frisbeehorden im Park anzuschließen. Der Müßiggänger möchte Frisbee spielen, wenn die Horden leiden. Dann wird Frisbee zu einem unendlich viel köstlicheren Vergnügen.
Zu einer praktischen Rechtfertigung des Bummelns möchte ich den großen Freund des Müßiggangs, Robert Louis Stevenson, zitieren. Sein Essay »An Apology for Idlers«, den er mit 26 als um Anerkennung kämpfender Schriftsteller verfasste, enthält eine grandiose Verteidigung des Schwänzens, in der er darlegt, dass wir mehr und im reicheren Maße über das Leben lernen, wenn wir die Schule schwänzen, als beim Unterricht:
Wenn du auf deine eigene Erziehung zurückblickst, werden es bestimmt nicht die erfüllten, lebendigen, lehrreichen Stunden des Schuleschwänzens sein, die du bedauerst; lieber würdest du einige glanzlose Zeiten zwischen Schlaf und Wachen im Unterricht streichen ... Tatsächlich wird ein intelligenter Mensch, der seine Augen benutzt und mit einem ständigen Lächeln im Gesicht seine Ohren aufsperrt mehr echte Erziehung erhalten als so mancher andere, der sein Leben lang heroisch wacht. Es ist sicherlich einiges kühle und trockene Wissen auf den Gipfeln steifer und umständlicher Wissenschaften zu finden; aber es liegt überall um dich herum, mit der Mühe des Hinsehens erwirbst du dir die warmen und zuckenden Fakten des Lebens. Während andere ihr Gedächtnis mit einem Gerümpel von Worten
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