Anleitung zum Müßiggang
anfüllen, von denen sie die Hälfte vergessen haben werden, ehe die Woche um ist, erlernt der Schulschwänzer möglicherweise einige wirklich nützliche Künste: Geige zu spielen, eine gute Zigarre zu erkennen oder mit Behagen bei passender Gelegenheit mit allen möglichen Menschen zu sprechen.
Wie wahr: die Stunden, die ich als Teenager während des Schultags unerlaubt in Cafés verbummelte, Benson & Hedges rauchte und nicht arbeitete, heben sich viel farbiger vor meinem geistigen Auge ab als jede Unterrichtsstunde. Eine moderne Version dieses Arguments wird in dem Film Ferris macht blau gezeigt. Sein Held setzt seinen Charme und seine Intelligenz ein, um einen Tag die Schule zu schwänzen, und lässt die ganze Stadt in dem
Glauben, dass er krank ist. Aber Ferris’ Schuleschwänzen ist keine bloße Faulheit; es ist auch ein Weg zur Selbsterforschung für ihn und seinen Freund Cameron, zu dessen Nutzen das Schwänzen eigentlich stattfindet. Denn im Laufe dieses Tages findet Cameron endlich die Kraft, seinem tyrannischen Vater die Stirn zu bieten. Cameron braucht Abstand vom täglichen, aufreibenden Einerlei, um einen klaren Blick auf seine Probleme zu bekommen und seinen Vater im wahren Licht zu sehen.
Der Schwänzer stiehlt sich Zeit zurück, die ihm zuvor gestohlen worden ist, und diese gestohlene Zeit besitzt eine Intensität und Fülle ganz eigener Art. Draußen in den Spielhallen kann der Nichtstuer das Leben studieren. Der Spielsalon, der Hafenpier, diese Vergnügungsstätten üben einen magnetischen Sog auf den halbwüchsigen Ausreißer aus. Für den echten Müßiggänger, denke ich, ist der Flipper, der so viel körperlicher und befriedigender ist als moderne Computerspiele, tatsächlich eine angemessenere Aktivität. Es gibt nichts Perfekteres um 11 Uhr vormittags als einen Flipperautomaten und ein Bier.
Das Bummeln hat eine lange, erhabene Geschichte. In seinem 1867 erschienen Buch Some Habits and Customs of the Working Classes berichtet Thomas Wright, dass es die erste Aufgabe von Lehrlingen beim Eintritt in eine Werkstatt ist, »Schmiere zu stehen« – das heißt, nach dem Chef Ausschau zu halten, damit seine Kollegen ohne Furcht Pause machen können:
Schmiere stehen heißt, lebhaft nach dem Herannahen von Direktoren oder Vorarbeitern Ausschau halten, um prompt und rechtzeitig Leuten ein Zeichen geben zu können, die vielleicht gerade ein Päuschen machen oder heimlich lesen oder rauchen oder mit »Gruppenarbeit« befasst sind – das heißt, mit Arbeiten für sich selbst.
Aber es gab eine Zeit, da wurde Blaumachen offen und voller Stolz praktiziert, wie es das wenig bekannte Phänomen des Heiligen Montags belegt. Der Heilige Montag (Saint Monday) war, wie wir von Historikern wie z.B. E. P. Thompson und Douglas Reid erfahren, die Tradition des institutionalisierten Schwänzens. Er wird zuerst im siebzehnten Jahrhundert erwähnt, hielt sich das ganze achtzehnte Jahrhundert hindurch, bis er im neunzehnten Jahrhundert allmählich verschwand und ausstarb, von der Industrie vernichtet. Er bestand im Wesentlichen aus einer Verlängerung des Sonntags in den Montag hinein. Statt zu arbeiten, zogen es Schuhmacher, Seidenwirker und Weber vor, den Montag Bier trinkend in der Taverne zu verbringen oder Faust- und Hahnenkämpfen zuzusehen. Ein Reim aus der Zeit lautet:
Weckt dann der HEILIGE MONTAG die Woche,
Wird schleunig in die Kneipe aufgebrochen.
Man wirft auf die Arbeit einen hastigen Blick,
Dann fallen Schraubstock und Drehbank in Tiefschlaf
zurück:
Leer steht die Werkstatt nun für eine Weile,
Und mit dem Arbeitsbeginn hat’s keine Eile.
Das Hauptmerkmal des Heiligen Montags war, dass er, anders als moderne Konventionen wie der »freie Tag«, mit dem angeblich aufgeklärte Firmen ihre Mitarbeiter großzügig mit Freizeit beschenken, eine Initiative von unten nach oben war; ihn nahmen sich die Arbeiter, er beruhte auf Eigeninitiative, oft gegen den Willen der Arbeitgeber.
Der Heilige Montag hatte teilweise deshalb Bestand, weil diejenigen, die dem Brauch folgten, nicht mit der heutigen Gier der Besitzanhäufung infiziert waren. Deshalb sahen sie keine Notwendigkeit, mehr Geld zu verdienen, als sie für den Unterhalt brauchten. Ein Beobachter aus dem neunzehnten Jahrhundert schreibt:
Wenn die Strickmaschinenarbeiter oder Seidenstrumpfwirker einen hohen Preis für ihre Arbeit erzielten, hat man sie selten am Montag und Dienstag arbeiten sehen, vielmehr verbrachten sie den Großteil ihrer Zeit
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