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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Ernährung eingenommen werden sollte ... Und auch nicht, wenn einer der Teilnehmer Diät macht, nicht trinken darf, weil er Auto fährt oder in Eile ist.« Der Lunch, schrieb Waterhouse, »ist eine Mittagsmahlzeit, die in aller Geruhsamkeit von (im Idealfall) zwei Personen eingenommen wird ... Von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Teilnehmer an einem Mittagessen von anderen Motiven zusammengeführt werden als von nagendem Hunger oder dringenden Fragen des Handelsverkehrs. Kleinere geschäftliche Dinge können gesprächsweise berührt werden, aber Anlass ist entschieden die Geselligkeit.«
    Glücklicherweise blüht in einigen europäischen Ländern die Kultur des ausführlichen Arbeitsessens. Vor ein paar Jahren war ich in Frankreich geschäftlich bei einer Branntweinfirma zu Gast. Sie stellte eine neue Absinthmarke her, für die meine Firma Namen und Markenzeichen entwickelt hatte. Etwa zu acht labten wir uns an einem Drei-Gänge-Menü mit Schnecken, Wein und absolut ohne jedes wie auch immer geartete geschäftliche Gespräch. Nur viel Gelächter. Während sich das Mittagessen hinzog, wurde ich allmählich nervös. Sollten wir nicht lieber wieder ins Büro gehen und unser Geschäft zum Abschluss bringen? Schließlich mussten wir pünktlich am Eurostar sein. Aber als ich meine Besorgnis äußerte, wurde mein Wunsch nach Arbeit von den französischen Branntweinbrennern rundweg abgelehnt. Sie lachten, behaupteten, es gäbe doch keine Eile, jedes Ding habe seine Zeit, und rechtfertigten sich mit dem folgenden Paradox: Travailler moins, produire plus. Je weniger man arbeitet, desto mehr produziert man. Sie hatten selbstverständlich Recht: Die halbe Stunde, die uns für unsere Arbeit noch blieb, reichte völlig aus. Wenn wir uns anderthalb Stunden Zeit genommen hätten, dann hätte unsere Aufgabe auch diese Zeit in Anspruch genommen. Eine Arbeit beansprucht genau die Zeit, die zur Verfügung steht.
    Jedenfalls blieb mir dieser herrliche Aphorismus in Erinnerung. Ich könnte noch hinzufügen, dass der ganze Vorfall für mich insofern ziemlich peinlich war, als der Chefredakteur des Idler von ein paar Provinzgeschäftsleuten an Lässigkeit weit übertroffen wurde.
    Aber murmel doch mal »travailler moins, produire plus« vor dich hin, wenn du am Nachmittag um halb vier ins Büro zurückwankst, dein Chef dir Bummelei vorwirft und du wahrscheinlich nicht viel Mitgefühl ernten wirst.
    Aber es besteht Hoffnung für die Briten, und die kommt von der Internationalen Bewegung für die Verteidigung des Rechts auf Genuss, allgemeiner bekannt unter dem Namen Slow Food. Die Bewegung wurde im Jahr 1986 von einer Gruppe linksgerichteter Italiener gegründet, die über die kulturelle Vormacht der Fast Food entsetzt waren. Ihr Ziel ist es, in die Produktion und den Verzehr von Nahrungsmitteln wieder Freude, Qualität, Vielfalt und Menschlichkeit hineinzubringen. Sie tun das durch Veranstaltungen und Verkostungen, die Produktion von Büchern und eine hervorragende Zeitschrift. Nach bescheidenen Anfängen hat sich Slow Food inzwischen mit über 65000 Mitgliedern über ganz Europa ausgebreitet. Die Bewegung hat sogar kürzlich ein Büro in den USA eröffnet, der Wiege der Fast Food. Ihr Logo zeigt eine Schnecke, und der Gründer, Carlo Petrini, sieht in der Bewegung eine »ausgewachsene Kulturrevolution«. Dem stimme ich zu.
    Wie das Slow-Food-Manifest zeigt, geht ihre Philosophie weit über das Essen hinaus und kann als Protest gegen die entmenschlichende Mechanisierung des Lebens insgesamt verstanden werden:
    Unser Jahrhundert, das unter dem Zeichen der Industriegesellschaft begonnen und sich entwickelt hat, erfand zuerst die Maschine und modellierte dann nach ihr das Leben.
    Wir sind durch Schnelligkeit versklavt und allesamt demselben heimtückischen Virus erlegen: Fast Life, der unsere Gewohnheiten beeinträchtigt, unser Privatleben durchdringt und uns zwingt, Fast Food zu essen.
    Um seines Namens würdig zu sein, sollte sich der Homo sapiens von der Schnelligkeit trennen, bevor sie ihn zu einer Art verkommen lässt, der das Aussterben droht.
    Eine beharrliche Verteidigung des beschaulichen Genusses ist die einzige Möglichkeit, sich dem universalen Irrsinn des Fast Life entgegenzustellen.
    Mögen angemessene Dosen gesicherter sinnlicher Freuden und langsamer, lange währender Genuss uns vor der Krankheit der Masse bewahren, die Hektik fälschlicherweise für Tüchtigkeit hält.
    Unsere Verteidigung sollte am Tisch mit Slow Food

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