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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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unumwunden als absolute Notwendigkeit:
    Man braucht eine gewisse Menge Schlaf zwischen Lunch und Dinner und keine halben Sachen. Ziehen Sie sich aus und gehen Sie ins Bett. Genau das tue ich immer. Glauben Sie nicht, dass Sie weniger schaffen, weil sie während des Tages schlafen. Das ist eine alberne Vorstellung von Leuten, die keine Fantasie haben. Man schafft hinterher mehr. Man schafft die Arbeit von zwei Tagen an einem – na ja, zumindest die von anderthalb, da bin ich sicher. Als der Krieg begann, musste ich tagsüber schlafen, weil dies die einzige Möglichkeit war, mit meinen Aufgaben fertig zu werden.
    Aber zieh dich mal im Büro aus und gehe zu Bett, und du wirst wahrscheinlich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Faulheit Ärger kriegen. Arbeitgeber sehen es lieber, dass man vier Stunden herumsitzt und gar nichts schafft, als dass man für eine Stunde ein Nickerchen einschiebt (bekleidet oder sonst wie), dem drei Stunden produktiver Arbeit folgen.
    Ein anderer geschworener Feind des Müßiggangs war Thomas Edison, der hinterhältige Verfechter der Arbeitsmoral, der die Glühbirne erfand, damit die Leute die ganze Nacht hindurch arbeiten können. Er verhalf der Schichtarbeit, dieser schrecklichen Sache, zum Leben. Die Maschinen standen niemals still. In seiner Eigenpropaganda behauptete Edison, nur drei oder vier Stunden Nachtschlaf zu benötigen, aber wie Stanley Coren berichtet, machte er jede Menge Nickerchen. Ein kroatischer Elektroingenieur namens Nikola Tesla, der bei ihm arbeitete, behauptete von Edison: »Er braucht zwar nur vier Stunden Schlaf pro Nacht, dafür aber jeden Tag zwei Nickerchen von je drei Stunden.« Coren erzählt auch die Geschichte, dass Henry Ford (ein weiterer Feind des Müßiggangs) eines Nachmittags Edison besuchte und zu seiner Überraschung feststellte, dass der berühmte Feind des Schlafes ein Mittagsschläfchen machte. Als er einen Assistenten wegen dieser offensichtlichen Heuchelei befragte, beteuerte der: »Er schläft überhaupt nicht sehr viel, er döst nur jede Menge.«
    In der sorgloseren Arbeitskultur der fünfziger Jahre in Amerika erhielten Geschäftsleute sogar auf dem Dienstweg den Rat, zu schlafen und Alkohol zu trinken. Diese gesunde Behandlung hatte den attraktiven Namen ›nap and nip‹: »Jeder Geschäftsmann über 50 sollte täglich einen ›nap and nip‹ haben – ein kurzes Nickerchen nach dem Lunch und einen entspannenden Highball vor dem Dinner«, riet eine gewisse Dr. Sara Murray Jordan, Gastroenterologin, in einem Reader’s Digest 1958. (Über die positive Macht eines Cocktails mehr in einem späteren Kapitel.)
    Die eingehendste Schilderung eines beinahe modernen Paradieses, die ich je gelesen habe, zeigt dessen Bewohner bei ständigen Nickerchen. Sie findet sich in Robert Dean Frisbies The Book of Puka-puka von 1929. Frisbie war ein Twen aus der amerikanischen Mittelschicht (stellen wir uns Dustin Hoffman in The Graduate vor), der sich dem Druck seiner ehrgeizigen Eltern entzog und auf der Südseeinsel Puka-puka einen kleinen Laden aufmachte. Er ließ sich dort nieder und heiratete eine Eingeborene. Frisbies Freund schildert die träge Inselkultur wie folgt:
    Die Leute sehen absolut keinen Grund, am Morgen aufzustehen, und die meisten tun’s auch nicht: sie schlafen den ganzen Tag, aber nachts sind sie wach, und man sieht sie im Fackellicht draußen vor dem Riff fischen – am Strand essen, tanzen, miteinander schlafen. Handelskapitäne – die wenigen, die Puka-puka kennen – hassen die Insel, weil sie die Leute nicht dazu kriegen können, zu arbeiten und ihre Schiffe zu beladen.
    Im Paradies schlafen wir den ganzen Tag. Wir haben eine wichtige Lektion gelernt: Nicht gegen das Nickerchen ankämpfen. Die einzige Kehrseite ist, dass viele Menschen die Neigung haben, aus ihrem Mittagsschlaf mürrisch aufzuwachen. Dies führe ich auf ein tiefsitzendes schlechtes Gewissen zurück, das wir wegen der gerade genossenen Untätigkeit empfinden und das sich in Form von Selbsthass äußert. Aber auf jeden Fall gibt es ein einfaches Mittel gegen diese mürrische Laune, nämlich Tee zu trinken, und das ist das Thema unseres nächsten Kapitels.

4 UHR NACHMITTAGS
    Teezeit
    Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen; das ist nichts für die, die fette Speisen essen und seidene Pyjamas tragen.
    T’ien Yiheng (um 1570)
    Das beruhigende Teeritual ist ein weiteres jener müßigen Vergnügen, die in den letzten Jahren der Produktivität und dem

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