Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
Vom Netzwerk:
Arbeit.« Denke daran, dass das ›Durchbeißen‹ die Haltung eines Sklaven ist. Wenn du dir ein positives Vorbild nimmst und dich einfach weigerst, »die Zähne zusammenzubeißen«, werden andere dir folgen. Lege die Scham vor dem Kranksein ab. Gib auf dich Acht. Regierungen und Gewerkschaften haben uns enttäuscht. Wir sind auf uns selbst gestellt. Die Antwort? Schlaf die Sache aus!

3 UHR NACHMITTAGS
    Das Mittagsschläfchen
    Mahomet machte in seinem Paradies sein Nachmittagsschläfchen. Eine Huri hatte ihm eine Wolke unter den Kopf geschoben, und er schnarchte friedlich in der Nähe der Quelle Salsabil.
    Ernest L’Epine, La Légende de Croque-Mitaine II,9
    (1863)
    Die Siesta ist ein Höhepunkt in der Lebenskunst – ja, selber eine Lebenskunst! –, die man verteidigen, populär machen und mit Freude und Ernsthaftigkeit praktizieren sollte.
    Thierry Paquot, L’art de la sieste (1998)
    Ich halte es für absolut unzweifelhaft, dass im Paradies alle ein Nickerchen machen. Ein Mittagsschläfchen ist ein vollkommenes Vergnügen und überdies nützlich. Es teilt den Tag in zwei Hälften und macht so jede Hälfte überschaubarer und angenehmer. Wie viel leichter ist es, am Morgen zu arbeiten, wenn wir wissen, dass wir uns nach dem Mittagessen auf ein Nickerchen freuen können; und wie viel vergnüglicher werden der Spätnachmittag und Abend nach einem kleinen Schläfchen. Wenn man weiß, später am Tag gibt es ein Nickerchen, kann man diese schreckliche Untergangsstimmung, die einen morgens um neun befällt, wenn man acht Stunden Plackerei vor sich hat, ein für alle Mal loswerden.
    Und nicht nur das – das Nickerchen kann auch einen kurzen Blick in eine schattenhafte Unterwelt gewähren, in der Götter spielen und Träume entstehen. Der französische Wissenschaftler Thierry Paquot schreibt dazu in seinem bemerkenswerten Buch L’art de la sieste :
    Dein Körper, der dich nur einen Augenblick zuvor niederdrückte, kommt dir jetzt leichter, unsichtbarer, nicht existent vor. Glück – oder eine Form von Glück – überwältigt dich. Lass dich fallen, lass dich gehen und ergebe dich voller Staunen. Wem? Einem neuen Herrn und Meister? Oder einer Herrin? Kleiner Verschwörer ... versuchst du, eine unerlaubte Liaison zu verbergen? Ja, ein Stelldichein im hellen Tageslicht – missbilligt von der Arbeitsmoral – mit der Nacht, mit Hypnos ...
    Ja: unser unveräußerliches Recht auf Nickerchen ist uns von den Wortführern des Arbeitseifers genommen worden. Besonderes Pech in dieser Hinsicht haben wir, denke ich, in den USA und im nördlichen Europa. In Ländern, in denen das Dogma von Arbeit und Fleiß die Psyche der Nation nicht so fest und unversöhnlich im Griff hat, ist das Mittagsschläfchen ein geheiligter Bestandteil des Tages. Viele Male hat der aufstrebende Müßiggänger im sich kasteienden nördlichen Europa (deren Ahnen die Vereinigten Staaten gegründet haben) einen eifersüchtigen Blick auf die gelasseneren Mittelmeerländer und ihre Sitte der Siesta geworfen. In Spanien zum Beispiel ist das Nickerchen fest in den Arbeitstag integriert. Die Arbeitnehmer gehen zum Mittagessen nach Hause, essen, dösen und kehren dann ins Büro oder in die Fabrik zu einer raschen Arbeitsschicht zurück, ehe es in die Nacht hinausgeht.
    Diese Zweiteilung des Tages hat die willkommene Folge, dass der Abend mehr Spaß macht, später beginnt und länger dauert als im nördlichen Europa. Warum machen die Abende mehr Spaß? Weil der Druck, zeitig zu Bett zu gehen etwas gemildert ist, wenn man weiß, dass man seinen Schlafverlust mit einem Nickerchen tagsüber wettmachen kann. Wie viele wunderbare Abende in der Kneipe sind schon dadurch kaputtgemacht worden, dass du oder ein Freund euch bedauernd vom Tisch erhebt und sagt: »Jetzt sollte ich wirklich nach Hause gehen. Ich muss früh raus.«
    Die entspannteren Arbeitsrhythmen im Süden, wo die Arbeit durch ein langes Mittagsschläfchen oder eine Pause in zwei Teile geteilt wird, waren auch in England üblich, bis sie durch den großen Feind des Müßiggängers, die Industrielle Revolution, restlos zunichte gemacht wurden. In seinem Essay über den Heiligen Montag (siehe das Kapitel »Bummeln«) zitiert Dr. Douglas Reid eine zeitgenössische Schilderung des Arbeitsverhaltens der unabhängigen Birminghamer Weber im späten siebzehnten Jahrhundert:
    Sie lebten wie die Einwohner Spaniens oder nach der Sitte der Orientalen. Um drei oder vier Uhr morgens waren sie an der Arbeit. Zur

Weitere Kostenlose Bücher