Anleitung zum Müßiggang
Profit geopfert worden sind. Wer es auch immer war, der auf die Idee kam, nachmittags um vier Tee zu trinken, war ein Genie. Denn diese Stunde bezeichnet den Punkt im Tagesverlauf, an dem die Kräfte des Menschen zurückkehren. Die langen, lustlosen, platten Stunden zwischen zwei und vier, in denen man unmöglich arbeiten kann und die der vernünftige Müßiggänger in seinem Bett verbringt, sind vorüber, und das Gehirn beginnt sich wieder zu rühren. Es ist vielleicht nicht die Zeit, etwas zu tun, aber über das Tun nachzudenken.
Der Vier-Uhr-Tee sollte eine Zeit für freundliches Geplauder und für Überlegungen, für eine Zigarette, ein leichtes geistiges Training sein. Er sollte mindestens eine halbe Stunde dauern. Ich weiß noch, welch ein wunderbarer Teil des Tages der Tee war, als ich einmal einen Ferienjob als Möbelpacker hatte. (Möbelpacker ist übrigens gar kein übler Job für einen Müßiggänger, weil er »Paroxysmen der Arbeitswut« erlaubt, denen lange Ruhephasen folgen.) Wir arbeiteten, schwitzten und schufteten eine oder zwei Stunden und machten dann eine Pause. Mir gefiel dieser Rhythmus viel besser als die endlose Langeweile von Verwaltungs-Bürojobs. Es wurde viel herumgefahren, was Spaß gemacht hat, es gab Mittagspausen und natürlich die Teepause. Die Teepause war absolut unantastbar, und sie wurde genau eingehalten. Schnell eine »cuppa« (was für ein vulgäres Wort für eine Tasse Tee) in sich reinzuschütten, während man auf seinen Bildschirm starrt, so etwas gab es da nicht.
Ich erinnere mich auch sehr deutlich, dass während der Teepause die Unterhaltung der Möbelpacker immer eine fantasievollere Form annahm. Bei der Morgenunterhaltung standen Blödeleien, Sexgeschichten und allgemein Verarschungen untereinander und von harmlosen Zuschauern im Zentrum. Zur Teezeit aber gerieten die Männer, die bei geöffneter Ladeklappe hinten im Möbelwagen lehnten und auf die Straße hinaussahen, in einen trägeren Zustand. Dann schilderten sie schöne Orte, an denen sie im Urlaub gewesen waren, erzählten liebevoll von Kindern und Ehefrauen oder sprachen über ihre Träume von einem besseren Leben.
Merkwürdigerweise hat diese Art Teepause vieles mit dem Teeritual Chinas und Japans gemein, das eng mit der Suche nach Erleuchtung verknüpft ist. Wie viele Dinge, die das Leben verschönern, wurde der Tee in einem Moment purer Untätigkeit entdeckt. Der Legende nach saß der chinesische Kräutersammler Shen Nong im Jahre 2737 v. Chr. gerade unter einem Baum und blickte ins Leere, da flatterte ein Blatt eines wilden Teestrauchs in die Tasse mit kochendem Wasser, die vor ihm stand, und so entstand die allererste Tasse Tee.
Es scheint dann eine Lücke von ungefähr 2000 Jahren in der Geschichte des Tees zu geben, ehe er 400 v. Chr. in Steuerakten der Regierung wieder auftaucht. Etwa zu dieser Zeit verlegten sich Mönche des Zen-Buddhismus in Japan aufs Teetrinken wie Jahrhunderte später die katholischen auf den Rotwein. Die Mönche, heißt es, tranken Tee, damit er sie beim Meditieren unterstützte. Er schärfe das Denkvermögen und helfe ihnen, stundenlang wach zu bleiben. Andersherum betrachtet, wurde der Tee damals als Hilfsmittel dafür benutzt, so lange wie möglich absolut gar nichts zu tun. Mit anderen Worten, er half einem, müßig zu sein. Was ist Meditation schließlich anderes als völlige Untätigkeit? Tee wurde fast zu einer eigenen Religion, die als Teezeremonie bekannt wurde.
Der Buddhismus erscheint mir fraglos als die menschlichste aller Religionen, als die belebendste und lustigste, und das aus dem paradoxen Grund, weil er sich zum Leiden bekennt. In ihm scheint es nichts von dem schlechten Gewissen oder den Schuldgefühlen zu geben, die das Christentum für die meisten von uns kaputtgemacht haben. Neben der Verwendung des Tees für die Meditation hatten die Chinesen aber auch seine rituellen Aspekte fest im Blick: seine Zubereitung, das Servieren, die Anstands- und Höflichkeitsformen beim gemeinsamen Teetrinken. Und so meinte Konfuzius, dass man mit dem richtigen Verhalten in geselligen Situationen das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft auf eine Weise fördert, die dem Himmel angenehm ist. So hat es den Anschein, dass das Teetrinken das Kollektive mit dem Individuellen verbindet. Es war ein Treffpunkt zwischen der inneren und der äußeren Welt. Sein Zweck war, Gegensätze zu versöhnen.
Aber in England gab es im Mittelalter und im sechzehnten, siebzehnten und frühen
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