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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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achtzehnten Jahrhundert einen ganz anderen sozialen Versöhner: das Bier. Bier wurde zu Hause gebraut und morgens, mittags und abends getrunken. Eine tüchtige Hausfrau sorgte für einen unerschöpflichen Vorrat; gute Arbeitgeber lockten Arbeiter mit der Güte ihres Bieres an. Es war das Nationalgetränk eines chaotischen, willensstarken Landes rotgesichtiger Säufer. Wir waren vielleicht nicht besonders gebildet, aber wir wussten uns zu amüsieren. Doch dank neuer Handelswege begann der Tee am Ende des siebzehnten Jahrhunderts in die englische Kultur einzudringen. Zuerst war er bei Hofe schick, wahrscheinlich weil er teuer und rar war. Aber seine Beliebtheit breitete sich aus.
    Ein früher Apologet des Tees war Dr. Samuel Johnson. Seine Art ihn zu trinken, hatte nichts von orientalischem Raffinement an sich, und die Sitte, Tee um vier oder fünf Uhr zu trinken, war noch nicht erfunden. Dr. Johnsons Einstellung zum Tee scheint eher der eines Cracksüchtigen aus dem Bahnhofsviertel als der eines Zen-Buddhisten entsprochen zu haben. Johnson beschreibt seine Sucht so:
    [Ich bin] ein hartgesottener und schamloser Teetrinker, der seit vielen Jahren seine Mahlzeiten einzig mit dem Aufguss dieser faszinierenden Pflanze verdünnt, dessen Wasserkessel kaum Zeit zum Abkühlen hat, der mit Tee den Abend unterhält, mit Tee der Mitternacht Trost spendet und mit Tee den Morgen willkommen heißt.
    Johnson wurde berühmt für die gewaltigen Mengen Tee, die er trank, und die unelegante Geschwindigkeit, mit der er ihn in sich hineinschüttete. Eines Abends bemerkte sein Freund, der Maler Joshua Reynolds, dass Johnson elf Tassen getrunken hatte. Verärgert erwiderte Johnson: »Sir, ich habe nicht eure Gläser Wein gezählt, warum zählt ihr meine Tassen Tee?« Als er wieder milder gestimmt war, bat er um eine zwölfte, um das Dutzend voll zu machen.
    Ein Zeitgenosse namens Jiohnn Hawkins beschreibt Johnsons Teetrinkgewohnheiten in einem Ton amüsierten Entsetzens: »... er war ein Liebhaber des Tees in einem kaum glaubhaften Ausmaß: wenn er aufgetragen wurde, redete er fast irre, und durch seine Ungeduld, bedient zu werden, seine fortwährenden Rufe nach den Zutaten, die diese Flüssigkeit genießbar machen, und die Hast, mit der er sie herunterschluckte, versäumte er selten, das für alle anderen zu einer Strapaze zu machen, was eigentlich eine allgemeine Erfrischung hätte sein sollen.«
    Unterdessen, als die Industrielle Revolution an Schwung gewann, wurde der Tee immer populärer und begann das Bier als britisches Nationalgetränk zu verdrängen. Ein Grund für diese Entwicklung mag gewesen sein, dass die neuen Arbeitsrhythmen in den Fabriken mit ganztägigem Saufen nicht in Einklang zu bringen waren. Die Leute wurden müde und mussten aufgemöbelt werden. In seinem praktischen Leitfaden für angehende Kleinbauern, Cottage Economy (1821), zeigte sich William Cobbett von dieser neuen Sitte nicht beeindruckt:
    Das Getränk, das den Platz des Biers eingenommen hat, ist im Allgemeinen der Tee. Es ist allseits bekannt, dass im Tee keine nützlichen Kräfte sind und dass er nichts Nahrhaftes enthält. Abgesehen davon, dass er zu nichts gut ist, hat er eine schlechte Beschaffenheit, denn es ist bekannt, dass er in vielen Fällen Schlafbedürfnis erzeugt und in allen Fällen die Nerven erschüttert und schwächt. Er ist im Grunde eine schwächere Art Opium, das für den Augenblick belebt und hinterher abstumpft. Auf jeden Fall verleiht er dem Körper keine Kraft; er hilft in keiner Hinsicht das zur Verfügung zu stellen, was die Arbeit erfordert. Er ist also ohne Nutzen.
    Tee sei städtisch, Bier bäuerlich. Tee sei was für Schlappschwänze, Bier etwas für Männer. Cobbett beweist sodann, dass das Teetrinken verglichen mit dem Bierbrauen wahnsinnig kostspielig sei, und fährt fort:
    Für mich ist das Teetrinken ein Zerstörer der Gesundheit, ein Schwächer des Körpers, ein Erzeuger von Verweichlichung und Faulheit, ein Verführer der Jugend und ein Schöpfer von Elend im Alter ... [das Teetrinken] zeitigt Nachgiebigkeit, Verweichlichung, den Drang zum warmen Kamin, das Verweilen im Bett und, kurz, alle Merkmale des Nichtstuns, wofür in diesem Fall echter Mangel an Kraft eine Rechtfertigung bietet.
    Das Merkwürdige ist, dass dies genau die Argumente sind, die von den Enthaltsamkeitsaposteln der Zeit gegen das Trinken von Alkohol vorgebracht werden.
    Aber es ist genau die Eigenschaft des Tees als eine Art Nichts, die ihn für die

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