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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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es sollte dort Bücher und Zeitungen geben: ein Ort zum Grübeln, Reflektieren und Überdenken.
    Wir sollten uns Feze und Rauchjacken kaufen. Wir sollten uns Zigaretten selbst drehen. Kurz: Wir sollten unser Rauchen zelebrieren und uns von den Schuldgefühlen, die es umgeben, befreien. Ich denke, wenn wir das tun würden, könnten wir feststellen, dass wir paradoxerweise weniger rauchen. Freiheit schafft Verantwortungsbewusstsein.

9 UHR ABENDS
    Nichtstun daheim
    Ohne aus seiner Tür zu treten
    Kann man wissen, was auf der Welt geschieht;
    Ohne aus seinem Fenster zu schauen
    Kann man das Tao des Himmels sehen.
    Lao-tsu, Tao-Te-ching (etwa 4. Jahrhundert v. Chr.)
    Und gegen Tür und Fenster scheint es zu prallen,
    Als würden sich Himmel und Erde verbinden;
    Doch Eingang können sie gar keinen finden;
    Um so heimeliger ruhn wir sicher in mächtigen Hallen.
    James Thomson, The Castle of Indolence (1748)
    »Zu Hause bleiben ist das neue Ausgehen« – diesen Joke ließ ich einmal auf einer Redaktionskonferenz vom Stapel. Ich arbeitete damals beim Guardian an Sonderprojekten mit, und wir hatten eine Haus-und-Wohnen-Beilage mit dem Titel »Space« entwickelt. Meine Aufgabe war es, die Werbeabteilung für diese neue Beilage zu begeistern, und das versuchte ich mit diesem, wie ich meinte, wahnsinnig witzigen Spruch.
    Aber so blöd und oberflächlich er ist, eine gewisse Wahrheit steckt dennoch darin. Ständig auszugehen kann zur Plage werden. Es ist harte Arbeit. Der Versuch, über neuste Bars, Clubs, Kinos, Galerien, Shows oder Bands auf dem Laufenden zu bleiben, ist eine Fulltime-Beschäftigung, und man hat dabei ständig das Gefühl, irgendwo anders passiert irgendwas Besseres. Man geht in eine Bar, die gerade in ist und fühlt sich für ein paar Minuten au courant , bis man erfährt, dass es in den Tiefen dieser Bar einen VIP-Raum gibt; vielleicht spielt dort die wahre Musik, denkst du. Komme in einen dieser VIP-Räume, und du stellst fest, dass die echt coolen Leute gerade in ein privates Hotelzimmer gefahren sind. Du kommst in das private Hotelzimmer und entdeckst, dass du dich mit irgend so einer Klette statt mit dem Star unterhältst. Unterhalte dich mit dem Star, und du entdeckst, er ist langweilig. Es ist alles psychisch viel zu anstrengend. Und so ist die Erklärung, dass du ab jetzt »zu Hause bleiben« wirst, ein kleiner Sieg für die Seele, glaube ich. Er bedeutet, dass du wenigstens für einen Abend die Welt und ihre Verführungen beiseite geschoben hast. Du hast dir gesagt: »Interessiert mich nicht.« Du wirst dir mit Steppdecke, Fernsehen und Pizza dein eigenes kleines Paradies, dein eigenes »Schloss der Trägheit« schaffen.
    Ganz simpel gesagt, ist zu Hause zu bleiben natürlich der Traum des Müßiggängers, weil so geringe körperliche Mühen damit verbunden sind. Er umgeht damit die öde und kostspielige Aufgabe, sich fertig zu machen, das Haus zu verlassen, irgendwo hinzufahren, an der Veranstaltung teilzunehmen und dann am Ende des Ganzen die noch ödere und kostspieligere Aufgabe durchzustehen, wieder nach Hause zu kommen. Der Unterhaltung setzt man sich oft aus Pflichtgefühl aus und nicht aus eigener Entscheidung. Aus geplanten Lustbarkeiten, bemerkte Dr. Johnson richtig, werden selten die besten Abende, die sind normalerweise ungeplant und überraschen uns, wenn wir uns dem Schicksal, dem Zufall und dem Chaos überlassen haben.
    Außer den offensichtlichen Verlockungen, zu Hause zu bleiben, hat diese besondere Untätigkeit auch soziale und geistige Vorzüge. Zunächst und hauptsächlich stellt das Zuhausebleiben einen Angriff auf die »Geh«-Kultur dar, die uns umgibt. Geht man tagsüber durch eine x-beliebige Stadt, kann man kaum die vielen Reklametafeln und Geschäftsnamen übersehen, die uns zum Gehen auffordern. Geh geh geh! MTV und andere Satellitenprogramme bombardieren uns mit Fotos von Fallschirmspringern, Bunjeespringern, Skateboard- und Snowboardfahrern, Jetskiläufern, Surfern, Mountainbikern und Geländefahrern, und ihre Botschaft ist klar: Komm da raus, Mann! Schrecklich! Hock doch nicht bloß zu Hause! Mach was! Irgendwas! Mach nicht Halt! Denk nicht nach! Tu es! Tu es einfach!
    Der Müßiggänger wirft einen Blick auf dieses trostlose Durcheinander aus Lifestyle-Möglichkeiten und beschließt: Tu es einfach nicht. Nein. Geh nicht – mach Halt. Statt zu gehen beschließt er zu bleiben und schlichtweg zu sein. Der Müßiggänger hat eine Seele, die Kontemplation verlangt, und

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