Anleitung zum Müßiggang
statt als Teilnehmer an amüsanten Aktivurlauben und Themenabenden sieht er in einem nebelhaften Traum, wie er in einer Hütte auf einem Hügel in China sitzt, einen schütteren Bart am Kinn und ein weises, fideles Lächeln im Gesicht, und über die Schönheit der Natur und über die Torheit der Menschen nachdenkt. In der Tat: viele unserer weisesten Denker haben den Rat gegeben, zu Hause zu bleiben.
Die Zeilen am Beginn dieses Kapitels sind aus dem Klassiker der chinesischen Philosophie, dem Tao-Te-ching. Die Autorschaft des um das vierte Jahrhundert v. Chr. verfassten Werks ist ungewiss, aber viele Wissenschaftler schreiben die darin enthaltenen Aussprüche einem Mann namens Lao-tsu zu. Das Tao-Te-ching ist der wichtigste Text der chinesischen Denkschule, die als Taoismus bekannt ist. Das Zentrum dieser Lehre voller Paradoxe ist wu wei : die Philosophie des Nichtstuns. Diese verrückten, leise in sich hineinlachenden alten Chinesen liebten das Bild des Flusses, der vom Gebirge zum Meer den Weg des geringsten Widerstandes einschlägt und dabei einzigartig schöne Windungen beschreibt. Wu wei handelt vom Schwimmen mit dem Strom im täglichen Leben, davon, dass man sein Los dem Schicksal überlässt und innerlich frei, staunend und weise sanft flussabwärts gleitet. Ich nehme an, dass das Sprichwort »Gut Ding will Weile haben« eine Möglichkeit ist, es in unserer Sprache auszudrücken. Die Taoisten glauben, dass eine unsichtbare Macht das Geschehen lenkt, und die weiseste Art des Handelns ist, dieser Macht nachzugeben und auf unsere übergroße Eitelkeit zu verzichten:
Tu das, was kein Handeln erfordert, und Ordnung wird obsiegen.
Beschäftigt sein, sich kümmern, Dinge tun: alles ist so vergeblich wie der Versuch, flussaufwärts zu rudern. Es läuft auf viel Schnaufen und Keuchen, aber auf sehr wenig Bewegung hinaus. Politisch predigt der Taoismus eine ähnliche Weisheit. Die Menschen strengen sich zu sehr an, sagt er. Die Politiker sollten aufhören, sich ständig einzumischen, und die Leute allein weiterwursteln lassen:
Weil die an der Macht zu verliebt ins Handeln sind, Sind die Menschen schwer zu regieren.
Meine Theorie ist, dass die Welt in zwei Typen unterteilt ist: die Müßiggänger und die Anti-Müßiggänger. Die Anti-Müßiggänger taufe ich hiermit »Plagegeister«. Plagegeister sind Leute, die es einfach nicht lassen können, sich ins Leben anderer Leute einzumischen. Ihnen fehlt Fantasie, sie glauben an harte Arbeit, Ausbeutung und Heuchelei und geben perfekte Politiker, Bürokraten und Bonzen ab. Sie wollen etwas durchsetzen, aber es ist ihnen eigentlich egal, was. Sie zwingen anderen ihre Überzeugungen mit Gesetzesmacht, Gewalt und Zeitungen auf und rechtfertigen ihr Tun damit, dass sie sagen, sie hätten Arbeitsplätze geschaffen oder Kosten gesenkt oder Ausgaben gesteigert oder Gewinne für ihre Aktionäre erzielt. »Etwas muss getan werden!«, ist ihr Motto. Und sie tun etwas, bauen zum Beispiel Wolkenkratzer, Callcenter,
Dämme und Autobahnen, aber sie mischen sich auch gar zu gern in die Pläne anderer ein – indem sie zum Beispiel die Baugenehmigung für die Vergrößerung eines Fensters einer alten Scheune um drei Zentimeter ablehnen. Schlimmer aber ist, dass diese Plagegeister, nicht zufrieden damit, selbst Dinge zu tun, uns arme Müßiggänger fortwährend nötigen, ebenfalls tätig zu werden. Das armseligste Beispiel hierfür sind die jüngsten Versuche der englischen Regierung, die glücklich Unbeschäftigten in sinnlose und erniedrigende Fulltimejobs zu zwingen. Statt Leute zu finden, die »was tun« – wäre es nicht vernünftiger, uns dabei zu unterstützen, unser Nichtstun zu genießen? In Zeitungen bieten die Plagegeister haufenweise unverlangte Ratschläge für Arme an.
Das Schreckliche ist, dass die Leute, die was tun, die Plagegeister, so ein Gewese darum machen. Der große französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal, der am berühmtesten für sein Werk mit dem dezenten Titel Pensées ist, aber auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung begründet hat, hat über dieses Thema nachgedacht. Die Pensées (1670) waren als Verteidigung des Christentums als die einzige wahre Religion geplant, und als solche stehen sie zu modernen pluralistischen Empfindungen im Widerspruch. Doch sie enthalten so viele exzellente Gedanken, dass sich ein Blick hinein lohnt. Pascal sieht die Plagegeister der Gesellschaft so:
Wenn ich es mitunter unternommen habe, die mannigfaltige Unruhe der
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