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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Zigaretten raffinierterweise »Fackeln der Freiheit« nannten. Die Idee wurde in den emanzipierten sechziger Jahren durch Virginia Slims mit dem Slogan »You’ve Come A Long Way, Baby« wiederholt. Zweifellos genossen die untätigen Damen der Boheme die Aura sorgloser Verruchtheit, die das Rauchen ihnen gab. Und im neunzehnten Jahrhundert hatte Baudelaire in »Les Salons« die gleiche Haltung bei Prostituierten in Pariser Bordellen bemerkt: »Hingestreckt bieten sie sich in verzweifelten Haltungen der Langeweile, in Schankstuben-Trägheit, mit maskulinem Zynismus dar und rauchen Zigaretten, um die Zeit mit der Resignation orientalischen Fatalismus totzuschlagen.«
    Rauchen ist schockierend, stinkend, nutzlos, der Gesundheit abträglich; kein Wunder, dass von jenen bedauernswerten Leuten dagegen vorgegangen wird, die schwer unter ihrem staatsbürgerlichen Verantwortungsgefühl leiden und deren Inbegriff New Yorks Bürgermeister Bloomberg ist (mein New Yorker Freund Tom sagt, es rauchen so viele Leute auf der Straße, dass man nach drinnen gehen muss, um frische Luft zu schöpfen). Und für Lin Yutang ist dies ein weiterer Vorzug des Rauchens. Es stört die Erhabenen und die Guten, die Verständigen, die Korrekten, die Manierlichen, die Vernünftigen:
    So sehr ich vernünftige Menschen liebe, so sehr hasse ich durch und durch rationale Kreaturen. Aus diesem Grund habe ich immer Angst und fühle mich unbehaglich, wenn ich in ein Haus komme, in dem es keine Aschenbecher gibt. Das Zimmer ist wahrscheinlich zu sauber und ordentlich, die Kissen sind wahrscheinlich alle am richtigen Fleck, und die Leute sind wahrscheinlich korrekt und emotionslos. Und sofort fühle ich mich zu meinem besten Benehmen gezwungen, was dasselbe heißt wie zu dem unbehaglichsten Benehmen.
    Rauchen tut genau das, was man von guter Satire erwartet: Es beruhigt die Geplagten und plagt die Ruhevollen. Die Guten hassen es – in liberalen Kommentaren wird immer noch gefragt, warum arme Leute ihre kümmerlichen Geldmittel aufs Rauchen verschwenden; wobei übersehen wird, dass es das Leben wirklich lebenswert macht. Die Unterdrückten lieben es. George Orwell, der in Down and Out in Paris and London von den körperlichen Nöten des Lebens erzählt, schrieb: »Es war der Tabak, der alles erträglich machte.« Und in Nickel and Dimed berichtet Barbara Ehrenreich, dass das Rauchen den Kellnerinnen in trostlosen Restaurants ein flüchtiges Gefühl der Selbständigkeit gibt: »Arbeit ist das, was man für andere tut; Rauchen ist das, was man für sich selbst tut. Ich weiß nicht, warum die Antirauch-Kreuzritter nie das Element der böswilligen Eigenliebe zur Sprache gebracht haben, die die Angewohnheit ihre Opfern so liebenswert macht – als wenn am amerikanischen Arbeitsplatz das Einzige, was die Leute ihr Eigen nennen können, die Tumore sind, die sie päppeln, und die seltenen Momente, die sie für deren Fütterung aufbringen.«
    Und jetzt zu einer wichtigen Frage: Wie raucht man? Sollten echte Müßiggänger sich ihre Lullen selber drehen? Fertige Zigaretten rauchen? Oder vielleicht Zigarren? Oder sogar Pfeife? Suchen wir mal bei den Dichtern nach einer Antwort.
    Erhabener Tabak! In West und Ost
    Des Türken Labsal und des Seemanns Trost!
    Der du verschönst des Paschas Polsterbette
    Mit Opium und Weibern um die Wette,
    Prunkvoll in Stambul, minder imposant,
    Doch minder nicht geliebt am Themsestrand,
    Himmlisch in Hukas, köstlich in der Pfeife
    Mit Ambraschmack, voll Milde, Füll und Reife,
    Gleich andern Reizen, wirbst du gern um Gunst,
    Blenden in Gala und verschönt von Kunst;
    Der Kenner aber gönnt den Putz dem Narren
    Und liebt die nackte Schönheit der Zigarren.
    So sprach Lord Byron (in The Island, 1823), der klar der schamlos nackten Zigarre den Vorzug vor der sittsam bekleideten Pfeife gab. Aber das Problem mit Zigarren ist, dass sie heute eher als Statussymbole denn als Genussmittel gelten. Eine Zigarre bedeutet eher: reicher, blasierter Kapitalist als: Dichter/Philosoph/Mönch. Wie Walt Whitman bemerkte, hat eine Zigarre »gewöhnlich ein rauchiges Feuer am einen Ende und einen eitlen Kerl am anderen«.
    Was mich angeht, ich bekenne mich zu den Selbstgedrehten. Das ist eine Angewohnheit, wegen der ich von Fertigzigarettenrauchern gehänselt werde, die sagen, ich sollte mal eine »richtige« Zigarette rauchen und mir die Mühe sparen, eine zu drehen. Da sind sie, fertig gedreht, einfach. Aber für mich gehört das Drehen mit zum Vergnügen.

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