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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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bei einem Preis von £ 1000 pro Stück habe ich nie das überschüssige Kleingeld für einen gehabt und musste mich mit einem bescheidenen Sessel samt Fußschemel begnügen.
    Ebenso blieb das Playboy -Ideal für mich ein Traum, aber ich frage mich noch immer: Wenn es einem gelingt, es zu erreichen – sagen wir, du bist der Sohn eines Diktators –, was dann? Wo führt das hin? Ersäufst du wie Scarface in Massen von Kokain, während deine Festung von allen Seiten angegriffen wird?
    Die Playboy -Fantasiewohnung ist aber ein reicher Quell für Anregungen zu diesem löblichen modernen Trend, der Retro-Wohnung. In der Vergangenheit zu leben, ist ein wirksamer Weg, von den Geschmacklosigkeiten der Gegenwart Abstand zu gewinnen. Ich habe diese Eigenschaft bei Künstlern bemerkt. Mein Freund John Moore, Musiker, früher mal Mitglied der sehr lauten Band The Jesus and Mary Chain, liebt es heute, wenn bei ihm zu Hause der anspruchslose Radiosender Classic FM läuft. »Wir tun gerne so, als gäbe es die heutige Zeit nicht, und wir würden in den zwanziger Jahren leben«, sagt er. Respekt vor einer früheren Zeit ist nicht unbedingt bloße Nostalgie und Weltflucht; er kann auch die bewusste Ablehnung der Werte der Konsumkultur und das Gefühl sein, von der ständigen Jagd nach »dem Neuesten« schikaniert zu werden. Jede vergangene Zeit kann diesen Zweck erfüllen; für mich ist es das achtzehnte Jahrhundert. Das Haus eines anderen Freundes von mir ist ein Schrein der sechziger Jahre: orangefarbene Plastikstühle, Plakate von The Monkees, eine Jukebox und Stapel von 45er Platten, alles gebraucht gekauft. Ratschlag für den Müßiggänger:
    Kaufe auf Märkten, bei fliegenden Trödlern, in Secondhandläden, auf Auktionen und bei eBay. Du gibst weniger aus, kriegst mehr und lebst prächtiger als der Broker in der Stadt, der drei Tausender für ein Ledersofa verpulvert.
    Wir sollten alle Leute bewundern, die auf eine bessere Lebensart bestehen und sie mit wenig Geld hinkriegen. Eine große Verweigerin ihrer Zeit gegenüber war CRASS, die anarchistische Punkband, deren aggressiv politische, antikapitalistische Kunst, Musik und Texte die ansonsten deprimierenden frühen achtziger Jahre in Schwung brachten. Ihr Einfluss war gewaltig und regte eine Generation enttäuschter Jugendlicher dazu an, nichts als Schwarz zu tragen und Anarchiesymbole auf Bushaltestellen zu sprayen. Die Mitglieder der Band praktizierten, was sie predigten, gründeten eine hippymäßige Open-house-Kommune auf dem Land in Essex am Rande von London, wo sie ihr eigenes Gemüse anbauten, Kunst machten und die Zeit vertrödelten. Ich fuhr eines Tages hin und fand ein kleines Paradies: einen Garten voller Hütten, Werkstätten und Blumen, einen Gemüsegarten und eine Möblierung, die irgendwo zwischen Barbara Hepworth und New-Age-Traveller angesiedelt war. Sie leben von sehr wenig Geld, und der Bandgründer Penny Rimbaud, der gerade auf dem Dach war und Filz verlegte, als ich ankam, bestätigte meine Vermutung, dass Geldmangel kein Hinderungsgrund ist, wenn man sich sein eigenes Paradies schaffen will. Durch sie erkannte ich, dass wahres Nichtstun auf totaler Verantwortung beruht, und dass Freiheit aus totaler Unabhängigkeit erwächst. Auch deswegen habe ich mir eben Reader’s Digest Complete Do It Yourself Manual gekauft.
    Ich hatte nämlich die Idee, mir zu Hause einen Pub einzurichten. Für mich dreht sich das Vergnügen, zu Hause zu bleiben, ums Trinken und Reden. Ich nahm also die wenig einladende Spülküche in unserem gemieteten Bauernhaus in Devon in Besitz, installierte eine Dartsscheibe und stellte zwei alte Esszimmerstühle hinein, die bei einem Antiquitätenhändler des Ortes £ 7 pro Stück gekostet hatten. Hinzu kamen ein Stich von Pool spielenden Hunden, farbige Birnchen, ein Stück Treibholz, ein Shove-ha’penny-Brett, Bierdeckel, Hogarth-Stiche, eine alte Sense, die ich auf einem Müllplatz gefunden habe, und Ansichtskarten, auf denen Männer aus Cornwall riesige Fleischpasteten essen. Alle diese Sachen habe ich irgendwo gefunden oder sie wurden von Freunden gestiftet. Der Pub heißt The Green Man, und mein Freund Pete Loveday hat das Kneipenschild gemalt. Durch die zerschlagenen Fenster sieht man übers Meer auf den Sonnenuntergang, und ohne aus der Tür zu treten, weiß ich, was auf der Welt geschieht.

10 UHR ABENDS
    Der Pub
    Was Schottland trinkt, ist Muse mir!
    Ob windend sich durch Würmgetier,
    Ob schäumend schon im Glase hier,
    Küss,

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