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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Wir erinnern uns alle an die Truppen mit ihren orangefarbenen Uniformen und anonymen Gesichtern, wie sie in das Raumschiff einrücken, als wäre auch das wieder bloß so ein langweiliger Job und nicht das irreste Erlebnis ihres Lebens, und welch scharfen Gegensatz sie bilden zu Dreyfuss’ abgerissener Gestalt, die sich hinter einen Felsen duckt. Beide Pole – Staunen und Ernst, das Kind und der Erwachsene – mischen sich in der vielschichtigen, von François Truffaut gespielten Gestalt des Wissenschaftlers, der im Dienst der Behörden steht, aber deutlich Bedenken hinsichtlich ihrer sterilen Haltung zu der Landung hat.
    Vor ein paar Jahren habe ich eine in London ansässige Organisation kennen gelernt, die sich Association of Autonomous Astronauts nennt. Diese lose Verbindung aus arbeitslosen Marxisten, Futurologen und Revolutionären stellte einen, wie sie es nennen, Fünfjahresplan für einen Flug in den Weltraum auf. Ihre radikale Vorstellung, was Raumfahrt sein sollte, verbunden mit ihrer feindseligen Einstellung zu Organisationen wie der NASA, war subversiv und originell. Für die AAA war Raumfahrt ein Synonym für Befreiung von der »Schwerkraft«, vom Ernst und der Ernsthaftigkeit, von der Schwere und Schwerfälligkeit, die uns notorisch am Boden festhalten. Aus Rebellion gegen die traditionelle elterliche Ermahnung an das verträumte Kind – »bleib mit den Füßen am Boden« – wandten sie ihren Blick zum Himmel und träumten vom Fliegen. Sie glaubten, dass eine Reise in den Weltraum unternommen werden könnte, indem man zu Hause vor dem Kamin sitzt und seine Fantasie dazu benutzt, fremde Sphären zu betreten.
    Im Kern war die Aufgabe von AAA, die Idee der Raumfahrt für den Normalmenschen zurückzufordern, sie zu demokratisieren und den Experten in den weißen Labormänteln, die uns mit ihrer Wissenschaft vor Rätsel stellen, wieder abspenstig zu machen. Für sie stellte der Weltraum das Ideal der Freiheit dar. Den Gedanken, dass sie nur Metaphern schüfen, wiesen sie zurück. Für mich war ihr Beharren darauf, dass Weltraumflug sogar für arbeitslose Müßiggänger denkbar sei, ein Weg, Auswege aufzuzeigen; fühle dich nicht gefangen und genötigt, sagten sie. Man hat dir vielleicht gesagt, dass du ein erdgebundener Sterblicher bist, aber in Wirklichkeit kannst du alles, was du willst. Mit dieser Verbindung zwischen den Sternen und der Freiheit steht die AAA in einer langen Tradition. Robert Burns zum Beispiel verknüpfte die beiden in seinem Gedicht »Libertie: A Vision« (1794). Darin sitzt der Dichter um Mitternacht im Freien und wird von einer Vision in Spielmannstracht heimgesucht:
    Ich stand beim alten Turme dort,
    Wo Blumenduft die Luft erfüllt,
    Die Eul’ am schattig-düstern Ort
    Dem Mond bei Nacht ihr Leid enthüllt.
    Die Luft war still, der Windhauch schlief,
    Vom Himmel fiel der Sterne Strahl;
    Es heult’ der Fuchs im Walde tief,
    Und Antwort gab das ferne Tal.
    Der Strom, hinab den dunklen Pfad,
    Rauscht an der öden Trümmerwelt,
    Zum schnellen Nith eilt er gerad,
    Der fern aufrauschend steigt und fällt.
    Das Nordlicht blau strömt’ auf die Au
    Mit grausem Schein sein fahles Licht;
    Am Himmel quer blitzt es daher
    Dem Glücke gleich, das bald zerbricht.
    Als ich den Blick zufällig wandt’,
    Erschrak ich, mondbeglänzt zu sehn
    Ernst einen Geist, der vor mir stand,
    Gekleidet wie die Minstrels gehn.
    Wär ich ein Standbild auch aus Stein,
    Mich hätt’ erschreckt sein Anblick dort;
    Auf seinem Hut gegraben ein
    Las FREIHEIT ich, das heilige Wort.
    Freiheit ist dort draußen irgendwo, funkelnd, beinahe sichtbar, doch gerade außerhalb unserer Reichweite. In Burns’ Gedicht wird die Freiheit als vom Mondlicht beschienene Geistererscheinung dargestellt, die als ein Ideal in dieser Geisterstunde erscheint, um Mitternacht, wenn die »reale Welt« des Tages entschwunden ist. Die Sterne sind ein verlockendes Mysterium. Und das Tolle ist, dass die Sterne frei, gratis sind, weil sie zu betrachten nichts kostet und weil jedermann sie überall sehen kann. Sogar in der Großstadt kommen sie manchmal durch, und so war der Nachthimmel eine wichtige Zuflucht für den jungen Coleridge, der, in der Charterhouse School tief im Inneren Londons gefangen, nachts aufs Dach zu klettern pflegte:
    Denn ich wuchs auf
    In der großen Stadt, eingepfercht in düstres Gemäuer,
Und sah nichts Schönes als den Himmel und die Sterne.
    (»Frost at Midnight«, 1798)
    Die gedankenverlorene Betrachtung des Himmels

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