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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Visionen der großen Müßiggänger der Zeit wie Oscar Wilde und Paul Lafargue diente die Technik der Befreiung des Menschen von schwerer Arbeit. Wilde schrieb in »The Soul of Man under Socialism«: »Die Maschine soll für uns in den Kohlenbergwerken arbeiten und alle sanitären Aufgaben übernehmen, sie soll unsere Dampfer heizen, die Straßen reinigen, an regnerischen Tagen Botendienste tun und alles ausführen, was langweilig und deprimierend ist.« Und Lafargue schrieb in »Le droit à la paresse«: »Die Maschine ist der Retter der Menschheit, der Gott, der den Menschen von den sordidae artes und von der Lohnarbeit erlösen wird, der Gott, der ihm Muße und Freiheit schenken wird.« Edison hingegen sah in der Technik ein Mittel, Produktivität und Effizienz zu steigern. Er benutzte die Technik zur Versklavung. Die Tatsache, dass er als ganz Großer, als ein Beispiel amerikanischen Fleißes dargestellt wird, ist symptomatisch für den Verfall der westlichen Kultur auf ihrem Weg von Kunst und Leben hin zu Arbeit und Tod.
    Schlaf, glaubte Edison, sei Zeitverschwendung. Er sei unproduktiv. Unnütz:
    Die meisten Menschen essen 100 Prozent zu viel und schlafen 100 Prozent zu viel, weil sie es lieben. Die überschüssigen 100 Prozent machen sie krank und ineffizient. Ein Mensch, der acht oder zehn Stunden in der Nacht schläft, schläft nie völlig und ist nie völlig wach – er macht während der 24 Stunden nur verschiedene Grade des Dösens durch.
    Das ist eindeutig Unsinn. Wenn ich weniger als acht Stunden Schlaf bekomme – und ich hätte lieber zehn –, kriege ich nichts hin. Meine gehüteten Schlafstunden haben sich in letzter Zeit verringert, weil ich kleine Kinder habe, die mich um sechs oder sieben und oft auch nachts wecken. Wenn ich nicht genug geschlafen habe, bin ich nicht in der Lage, viel zu erledigen. Ich werde wütend, streitlustig, uneinsichtig. Kleinere Vergehen bestrafe ich hart. Ich knalle die Türen. Ich meckere über kleine Aufgaben wie Abwaschen. Nach einer guten Nacht dagegen fühle ich mich wie ein anderer Mensch. Ich bin heiter, nachsichtig und hilfsbereit. Ich bin auch produktiver. Ich kann die Tagesarbeit in drei oder vier Stunden schaffen, was mir viel mehr Zeit zum Nichtstun lässt.
    Allein schon der Gedanke, den Schlaf einzuschränken, ist dem Müßiggänger ein Gräuel, für den der Schlaf eine der wichtigsten Freuden des Lebens ist. Schlafen ist ein köstliches Hinauszögern, Beiseitetreten, Verzichten, ein Big Quit (um eine Formulierung des Autors Matthew De Abaitua zu zitieren). Dabei beurlauben wir den rationalen Verstand und geben uns in die Hand einer größeren Macht. Edison propagierte die Idee: Mehr Arbeit, weniger Schlaf. Das Glaubensbekenntnis des Müßiggängers lautet: Weniger Arbeit, mehr Schlaf.
    Edisons Anti-Schlaf-Philosophie hat ihn dazu motiviert, die große Feindin des Nichtstuns zu erfinden: die Glühbirne. Diese künstliche Sonne wurde zu dem Zweck erschaffen, dass wir nicht länger unter den für harte Arbeit so wenig hilfreichen Unannehmlichkeiten der Nacht leiden sollten. Mit der Erfindung der Glühbirne machte Edison die Nachtarbeit möglich und damit die Schichtarbeit, und Blakes Prophezeiung in The Four Zoas (1797/ 1804) wurde wahr. Die Glühbirne schaffte es,
    Zu verwirren die Jugend in ihren Ausgaben & zu binden an Arbeiten
    Tag & Nacht die Myriaden der Ewigkeit, dass sie feilen Und polieren Messing & Eisen Stunde für Stunde in mühsamer Arbeit
    Wir sind noch heute an unsere Arbeiten gebunden. In Sleep Thieves schildert Stanley Coren die Wirkung der Glühbirne auf unser Schlafverhalten:
    In einer in unserem Labor durchgeführten Untersuchung warfen wir einen Blick auf die Menge der Zeit, die der junge Durchschnittserwachsene heute schläft, und fanden heraus, dass dies üblicherweise etwas weniger als sieben Stunden pro Tag waren. Eine ähnliche Untersuchung war schon einmal 1910 durchgeführt worden. Der Zeitpunkt ist von Bedeutung, weil 1913 unsere moderne Tungsten-Glühfadenlampe eingeführt wurde … Betrachten wir das Schlafverhalten, das in der Vor-Tungsten-Glühbirnenzeit üblich war, so stellen wir fest, dass der Durchschnittsmensch jede Nacht neun Stunden schlief … Mit anderen Worten: Edison darf behaupten, in jedem Jahr, das wir leben, unsere Wachzeit um mehr als 500 Stunden verlängert zu haben.
    Die Erfindung der Glühbirne war einer der größten symbolischen Siege in der Schlacht zwischen Fleiß und Nichtstun. Kein Pardon fürs Bummeln

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