Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Frühstückstisch war noch nicht abgeräumt. Willbrandt hatte zwei Eier gegessen. Die geköpften Reste steckten in bunten Eierbechern. Eine silberne Thermoskanne war noch halb voll Kaffee.
Er frühstückte also nicht in seinem eigenen Café. Hatte der Mörder ihn hier abgeholt? War er ohne Argwohn mitgegangen? Oder hatte der Mörder ihn gezwungen? Kannten die beiden sich?
Am Laptop leuchtete noch das Standby-Lämpchen. Vorsichtig bewegte Ann Kathrin den Cursor.
Rupert hätte den ganzen Tag so weitermachen können. Er ließ sich nur zu gern mit den Damen fotografieren. Welch ein Tag! Welch eine Undercover-Recherche! So ähnlich musste James Bond sich gefühlt haben, dachte Rupert und übersah dabei, dass 007 eine erfundene Figur war. Er selbst dagegen aber echt.
Jetzt rief der umschwärmte Bob, der zwar Damenbusen signierte, aber auf Rupert trotzdem recht schwul wirkte: »Nicht so stürmisch! Ihr erdrückt mich ja!«
Aus den Augenwinkeln sah er zornig zu Rupert. Es irritierte ihn, dass jemand neben ihm so viel Aufmerksamkeit abzog.
»Spielst du wieder mit Klaas zusammen? Ich hab immer gewusst, dass ihr eines Tages wieder in alter Formation auftreten werdet.«
»Nein … Ich … Die Band ist Geschichte für mich. Ich arbeite an meiner Solokarriere … Ich …«
»Ach, komm! Du kannst es uns doch sagen! Steht ihr heute Abend wieder zusammen auf der Bühne? Ist das die Überraschung?«
»Nein, ich …«
Der Musiker hielt plötzlich inne und schob die Fans von sich weg. Er zeigte auf Rupert und rief: »Aber das ist nicht Klaas! Ich kenne den Kerl da gar nicht!«
Die kleine Dralle, die glaubte, dass böse Mädchen überall hinkommen können, zeigte ihrer Freundin stolz die Signatur von Klaas. Aber die sagte: »Was hat der denn da hingeschmiert? Da steht doch nicht Klaas, sondern ich glaube, Herbert.«
»Herbert? Wer ist denn Herbert? Und Herbert schreibt man doch nicht mit p! Das hier soll doch ein p sein, oder?«
»Nee, nicht Herbert. Rupert!«
Die Frau mit dem strahlenden Gesicht, deren linke Brust Rupert gerade in der Hand hielt und beschriftete, schien zu gefrieren.
»Das ist nicht Klaas? Ja, wer ist das denn?«
Eine Hand klatschte in Ruperts Gesicht. Ein Regen von Ohrfeigen prasselte auf ihn ein. Er wurde getreten und beschimpft.
Der Akku in Willbrandts Laptop war fast leer. Aber Ann Kathrin fand eine interessante Datei mit dem Titel
Alles meine.
Darin hatte Willbrandt Filme abgespeichert, die er mit versteckter Kamera aufgezeichnet hatte. Einige, so vermutete Ann Kathrin, mit diesem Laptop.
Zunächst glaubte sie, dass es sich immer wieder um dieselbe Frau handelte. Durch die statische Kamera war oft der Kopf abgeschnitten, und die Frau trug immer das gleiche schwarze Negligé. Aber der Titel
Alles meine
irritierte sie.
Dann fand sie heraus, dass es verschiedene Frauen waren, die aber immer das gleiche – wie sie fand – recht geschmacklose Negligé trugen, während sie Willbrandt auf die immer gleiche Weise befriedigten. Es fand nur jedes Mal in unterschiedlichen Räumlichkeiten statt. Mal standen riesige Plastikorchideen in der Ecke, mal sah Ann Kathrin eine kleingemusterte Blümchentapete, dann wieder nur einen Kieferkleiderschrank.
Ein Fetischist, dachte Ann Kathrin, ganz klar. Er bittet seine abwechselnden Freundinnen jedes Mal, diesen Fummel anzuziehen.
Sie fand sogar die Namen der Frauen, nach Datum geordnet, und dahinter Noten von eins bis zehn. Sie wollte gar nicht wissen, was diese Noten zu bedeuten hatten, interessierte sich aber sehr für die Namen. Akribisch hatte er sogar die Adressen der Frauen notiert, Telefonnummern dahinter und zusätzliche Bemerkungen wie:
Allergisch gegen Haselnüsse.
Kommt aus katholischem Elternhaus.
Schrecklich narzisstisch.
Eifersüchtiger Ehemann!
War hier eine Beteiligte durchgedreht und hatte sich grausam gerächt? Oder hatte ein Ehemann dem üblen Spiel so ein Ende bereitet? Wurden nicht Ehebrecher gevierteilt?
Sie schrieb die Namen in ihr Notizbuch ab, bevor der Akku restlos leer war und der Bildschirm schwarz wurde.
Im Schlafzimmer fand sie auch genau die Kameraposition. Von hier aus war Nadja Jansen gefilmt worden, während sie sich auf ihm abmühte.
Im Schrank entdeckte sie dann auch das Negligé. Es hing ganz spießig auf einem Kleiderbügel. Ann Kathrin nahm es aus dem Schrank. Es war bei Nähe betrachtet ein billiges Exemplar aus Nylon oder Perlon. Jedenfalls fühlte es sich nach kratzigem Plastik an. Es war mehrfach gewaschen
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