Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Küche.
Sie sah eine Frau um die vierzig, mit schwarzen Haaren und teuflisch schönen braunen Augen. Eine südeuropäische Schönheit, die den Laptop von der Arbeitsplatte auf den Tisch stellte.
Die Frau fühlte sich unbeobachtet. Ann Kathrin räusperte sich. Die Frau ließ den Laptop, der noch zehn Zentimeter über der Tischplatte schwebte, fallen. Er krachte auf einen Eierbecher.
Die Frau stieß einen spitzen Schrei aus und stammelte: »Mein Gott, haben Sie mich erschreckt!«
Ann Kathrin war froh, ihre Heckler & Koch hinter sich im Hosenbund zu haben und nicht in der Hand.
»Sind Sie … eine Bekannte von Herrn Willbrandt?«, fragte die Frau und wischte Eierschale vom Laptop.
Ann Kathrin wurde klar, dass man sie gerade für die neue Liebschaft von Willbrandt hielt. Sie verneinte und dachte, ein Glück, dass ich dieses blöde Negligé nicht mehr in der Hand halte. Da wäre ihr die Heckler & Koch fast lieber gewesen.
»Mein Name ist Ann Kathrin Klaasen. Ich bin von der Mordkommission Ostfriesland. Herr Willbrandt wurde umgebracht, und ich schaue mir gerade an, ob ich in der Wohnung Hinweise auf den Täter finde.«
Die Frau setzte sich, und wenn sie die Erschütterung nur spielte, dann war sie verdammt gut darin.
Sie stellte sich als Günsel Yilmaz vor, die für Herrn Willbrandt seit gut einem halben Jahr putzte. Das Geschäft zweimal pro Woche, seine privaten Räume nur einmal.
Von seinem Tod wusste sie angeblich nichts. Sie hatte noch eine Putzstelle auf Wangerooge, und von dort war sie gerade zurückgekommen und dann mit dem Rad hierher. Sie sei eigentlich zu spät, wegen der Fähre. Herr Willbrandt sei sowieso nie da, wenn sie käme. Staubsaugergeräusche würden ihn nämlich ganz krank machen, und er habe doch so ein musikalisches Gehör.
Günsel Yilmaz redete ohne Punkt und Komma, so schnell, als würde sie befürchten, in den nächsten paar Minuten könnten Worte auf der Welt knapp werden.
Ann Kathrin unterbrach sie und zeigte auf den Laptop: »Wissen Sie, was da drauf ist?«
»Sie meinen die Filme?«
Ann Kathrin nickte.
Dann seufzte Frau Yilmaz und nickte ebenfalls. Sie schwieg eine Weile und starrte die Wand an. Dann sagte sie, wie um sich zu entschuldigen: »Einmal stand das Ding noch im Schlafzimmer, auf dieser Konsole. Von dort hat er die Aufnahmen gemacht. Ich habe das Gerät ins Arbeitszimmer tragen wollen, da ging es plötzlich an …«
Ann Kathrin unterdrückte ein Grinsen und tat, als würde sie die Geschichte glauben.
»Na klar, kann ja jedem mal passieren …«
Günsel Yilmaz sah Ann Kathrin dankbar an und fuhr fort: »Ich wusste immer, dass das nicht gutgeht. Ich meine …« Sie hob empört die Arme: »Wo bin ich denn hier hineingeraten? Sex! Erpressung! Und jetzt auch noch Mord! Aber ich brauche das Geld. Ich mache hier eine anständige Arbeit, und zu mir hat sich Herr Willbrandt immer gut verhalten. Er hat zehn Euro die Stunde gezahlt. Das ist hier sehr viel Geld. Bekommt man kaum irgendwo. Und dann auch noch schwarz …«
Sie hielt sich die Hand vor den Mund und befürchtete, jetzt Schwierigkeiten zu bekommen, weil sie sich verplappert hatte. Aber Ann Kathrin winkte ab: »Brutto, netto, das interessiert mich nicht. Ich bin nicht vom Finanzamt. Aber wieso erwähnten Sie gerade Erpressung?«
Wieder ließ Frau Yilmaz die Arme hochsausen. »Na, diese Filme! Die ständig wechselnden Freundinnen. Oft zwei oder drei gleichzeitig. Da waren hochkarätige, verheiratete Frauen dabei.«
»Hat er es bei Ihnen auch versucht?«
»Was? Nein! Wo denken Sie denn hin? Ich habe drei Kinder und außerdem … bin ich für ihn einfach zu alt …«
»Zu alt? Sie sind eine sehr attraktive Frau und vermutlich jünger als er.«
»Seine Mädels waren zwischen zwanzig und fünfundzwanzig.« Sie stockte in der Bewegung und fuhr dann fort: »Ja, und da waren noch die, bei denen etwas zu holen war. Also finanziell … Aber zu denen gehöre ich auch nicht.«
»Sie glauben, er hat Frauen finanziell ausgenommen?«
Günsel Yilmaz zuckte mit den Schultern und kämpfte mit den Tränen. Sie wusste selbst nicht genau, warum, denn eigentlich konnte sie Willbrandt gar nicht leiden. Aber jetzt tat er ihr plötzlich doch leid.
Nein, Pille betonte, keinen Anwalt zu brauchen. Vom Koks noch ganz redselig, tischte er Weller und Schrader eine hanebüchene Geschichte auf.
»Also, das war so. Wir tigerten so im Neuen Weg herum, als wir plötzlich diese Schreie hörten. Da war son geiler alter Sack, der
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