Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Es gibt so viele Dinge, die mich interessieren. Nicht, dass du dir etwas darauf einbildest. Du interessierst mich eigentlich überhaupt nicht. Ob ich dich zerstöre oder die Mücke zerquetsche, die mich nachts mit ihrem Gesumme nervt, macht für mich kaum einen Unterschied. Nur dass die Mücke unschuldig ist, und du bist es nicht. Aber ich finde, du solltest wissen, was mit dir geschieht. Ich werde deinen Leichnam runterbringen, und dann landest du unter der Hüpfburg.«
Er begann zu lachen und fand seinen eigenen Scherz so gut, dass er gar nicht aufhören konnte. Er gluckste. »Du hast doch bestimmt manchmal gemerkt, wie sehr die kleine Emma euch auf der Nase herumtanzt, was? Hast du es nicht manchmal gesagt? Das ist doch so ein Ausdruck, den man gerne verwendet: Der tanzt mir auf der Nase rum. Genau das wird jetzt geschehen. Es wird nicht nur dein Töchterchen sein, sondern es werden dir viele Kinder auf der Nase herumtanzen.
Ich glaube nicht, dass sie dich so bald dort finden. Ich werde immer in deiner Nähe sein und das Spiel der Kinder beobachten. Ich hoffe so sehr für uns beide, dass auch deine Kleine mitmacht und so ihrer Mama noch die letzte Ehre gibt.«
Dann zog er langsam das große Brotmesser aus dem Messerblock. Er stellte sich mit der Klinge vor sie hin, so dass sie genau sah, was geschah, und prüfte die Klinge.
Dann schüttelte er den Kopf und schimpfte: »Die Leute heutzutage können mit Messern nicht mehr richtig umgehen. Sie stecken sie einfach in die Spülmaschine. Das hier war mal ein richtig gutes Werkzeug. Es ist stumpf geworden, einfach stumpf. Nein, das kann ich dir nicht antun. Wenn ich dir damit den Hals durchschneide, dann würde es entsetzlich weh tun. Keine Angst. Das mache ich nicht.«
Wieder verschwand er aus ihrem Sichtfeld und kam nach einigen endlosen Sekunden mit einem länglichen Schleifstein wieder, der eine helle und eine dunkle Seite hatte. Sie kannte so etwas noch von ihrem Vater, hatte es aber lange nicht mehr gesehen.
Nun begann er, das Messer daran zu wetzen.
»Hast du auch deine Messer einfach in die Spülmaschine getan?«, fragte er. »Dir traue ich das zu. Von so etwas hast du verzogene kleine Göre doch bestimmt keine Ahnung, hm?«
Das Geräusch, als er die Klinge über den Stein zog, tat in ihren Ohren weh. Es war schlimmer als jedes Bohren beim Zahnarzt, fand sie. Sie bekam eine Gänsehaut, und es schüttelte sie.
Machte er es deshalb? Wollte er sie damit demütigen und verspotten?
»Als Kind«, sagte er, »habe ich gesehen, wie Schweine geschlachtet und in zwei Hälften geschnitten wurden. Auch mit Hasen und Hühnern kenne ich mich aus. Wir hatten Verwandte mit einem Bauernhof. Ich war gerne dort in den Ferien. Man braucht gutes Werkzeug, sonst leiden die Tiere, und man muss mehrfach schneiden. Das fand ich schon als kleiner Junge stümperhaft und gemein.«
Für einen Moment hegte sie die Hoffnung, dass er sie vielleicht gar nicht umbringen würde, sondern dieses Messerschleifritual nur brauchte, um ihr Angst zu machen. Aber dann probierte er an ihrem rechten Oberarm aus, ob es schon scharf genug war.
»Es muss«, sagte er, »hineingleiten wie in warme Butter.«
An ihrem kühlen Oberarm lief warmes Blut herunter. Sie spürte zuerst die sich ausbreitende Wärme, den Schnitt bemerkte sie nicht.
Damit war er zufrieden. Er nickte. »Ja, so geht es.«
Er griff ihren Kopf und richtete ihn gerade auf.
Mit dem letzten bisschen Stolz, das sie aufbieten konnte, sah sie ihm ins Gesicht und machte keinen sinnlosen Versuch, der Klinge zu entkommen.
Mit einem heftigen, tiefen Schnitt zog er die Klinge durch ihren Hals.
Als Rupert strubbelig und verkatert in der Polizeiinspektion im Fischteichweg in Aurich erschien, waren die anderen längst unterwegs. Die große Dienstbesprechung hatte er versäumt. Aber es gab einen klaren Auftrag für ihn.
Marion Wolters, die genau wusste, dass er sie hinter ihrem Rücken gern
Bratarsch
nannte, grinste ihm breit ins Gesicht und verkündete es wie ein Urteil: »Ann Kathrin hat einen Auftrag für dich. Er ist ziemlich genau umrissen, und ich glaube, das kriegst du auch in deinem Zustand hin.«
»Was heißt hier
in meinem Zustand
?«, blaffte er zurück.
»Na, guck doch mal in den Spiegel. Oder wird das hier eine Krankmeldung? Dann erledige ich es.«
Sie erklärte ihm schnell den Sachverhalt. Dabei tupfte sie sich zweimal ein Parfüm auf die Unterarme und roch daran.
Rupert wedelte in der Luft herum. »Lass das! Mir ist
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