Ann Pearlman
echt gut hingekriegt bis jetzt, also machen wir die da draußen jetzt auch noch ein letztes Mal so richtig fertig, ja?«
Ich frage mich, wann er so aggressiv geworden ist … als wir in Detroit losgefahren sind, klang seine Anfeuerung viel sanfter.
»Bringst du das Neue, Special?«, fragt Red Dog.
»Mal sehen, wie’s läuft.« Er dreht sich zu mir.
T-Bone kann vor Aufregung nicht mehr stillstehen. »Los, los, los.« Auf der Bühne zu sein hat für ihn eine andere Bedeutung als für den Rest von uns – ich glaube, er hat das Gefühl, dass er erst dort oben real wird.
Ich starre Aaron an und hoffe, dass es nicht unser letzter gemeinsamer Auftritt sein wird. Als mir der Gedanke in den Kopf kommt, fange ich beinahe an zu weinen.
Aber dann werde ich wütend, dass ich mit dem ganzen Kram jonglieren muss, wo ich schon genug damit zu tun habe, Troys Tod zu verkraften, Mutter zu sein und gleichzeitig den Rap-Star zu geben!
Ich hole tief Luft. Es geht doch hier um das, was ich liebe! Leb den Moment, verdräng Traurigkeit und Wut. Ich hebe die Hand. »Let’s rock it!«, rufe ich.
Und schon sind wir auf der Bühne.
Wir beginnen mit unserem üblichen Set, und die Aufregung des Publikums überträgt sich auf uns, wie immer gibt mir die Energie der Menschen jede Menge Kraft. Uns allen. Inzwischen gehört mein Song zum Repertoire, er ist ein Teil von uns geworden, ein Teil dessen, was wir sind. Unser Publikum erwärmt sich immer mehr dafür, und ich bin inzwischen sicher genug, um verschiedene Aspekte des Textes zum Vorschein zu bringen, ich erforsche neue Möglichkeiten, ihn zu präsentieren, ich spiele in unterschiedlichen Akkordfolgen mit der Melodie. T-Bone gibt mir ein Handzeichen, dass er die nächste Strophe übernimmt, und singt von einem Vater, den er nie hatte, fragt sich, wie es gewesen wäre mit einem erwachsenen Mann in seiner Nähe, einem Mann, der sich um ihn gekümmert und auch seine verletzliche Seite gezeigt hätte.
Dann bringt Aaron sein neues Stück, Resilience . Widerstandskraft. Unverwüstlichkeit.
Ich denk dran, was ich überstanden hab,
Ich schreib über den Kontrast zwischen Leben
Und Tod,
Den Kontrast zwischen Kampf und Erfolg.
Smoke spielt die Trommel, im Hintergrund wiederholt die Crew Leben und Tod, Kampf und Erfolg und konzentriert sich ganz auf das neue Thema.
Aber als Aaron die nächste Strophe singt, höre ich etwas anderes als beim Proben. Da kam es mir vor, als wäre der Song für Sky, eine Bitte, dass sie aufhört, ihr Leben ganz auf ihren Verlust auszurichten. Aber diese nächsten Zeilen gehen in eine andere Richtung.
Bin zu weit gekommen,
Es gibt kein Zurück,
Kann nicht aufhören,
Will es auch nicht,
Und ich weigere mich aufzugeben,
Ganz egal was passiert,
Ich geh drauf zu mit voller Absicht,
wie mein Name schon sagt,
und freu mich an meiner Widerstandskraft.
Jetzt höre ich seine Entschlossenheit, er will weitermachen, ganz gleich was mit uns geschieht. Es geht nicht mehr um Troy, jetzt geht es um unser Dilemma.
Als er fertig ist, suchen seine Augen meine. Der Blick, den er mir in diesen Sekundenbruchteilen zuwirft, ehe die Menge anfängt zu schreien und ihn mir wegnimmt, strahlt Kummer und Wut aus, aber auch Hoffnung und Liebe, alles gleichzeitig. Er ist wütender, als ich ihn je gesehen habe. Und trauriger. Aber zum Glück auch voller Hoffnung.
Ich nicke ihm zu und versuche ihm mitzuteilen, dass ich seine Botschaft verstehe. Er gibt mir den Raum und den Respekt, damit ich meine Entscheidung treffen kann. Mehr kann er mir nicht geben.
Durch unsere Texte sprechen wir miteinander. Es ist leichter, auf der Bühne zu kommunizieren als persönlich, allein, wenn man sich direkt gegenübersitzt.
Die Menge brüllt: »Special! Special! Li’l Key! Li’l Key! T-Bone! T-Bone!« Das Stampfen und Schreien versetzt mich in Ekstase und macht mir zugleich auch Angst. Alles könnte passieren. Es könnte so oder so ausgehen.
Und dann kapiere ich endlich. Ich habe wie wir alle ein Bild davon im Kopf, wie es aussieht, ein Star zu sein: Alles wird wunderbar, ich kann mich entspannen, in aller Ruhe meine Musik machen und das Leben genießen. Aber so ist es nicht. Vor ein paar Jahren hab ich mir gewünscht, dort zu sein, wo ich jetzt bin – wo Aaron und ich jetzt sind. Und dann kam King, ich hab ihn angeschaut und wollte das, was er hat. Und King? Ist King in seiner Position etwa entspannt, freut er sich an seiner Musik und an dem, was er erreicht hat? Nein. Sonst würde er
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