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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apfelblüten im August
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gesagt hat: »Du hättest auf mich hören sollen und keine weiße Baby-Mama auf eine Rap-Tour mitnehmen.«
    »Du bist meinetwegen hier«, hat Aaron ihm geantwortet. »Also respektier gefälligst meine Entscheidungen.«
    »Eine weiße Tussi vertreibt unsere Fans.«
    Darauf drehte Aaron sich wortlos um und verließ den Raum. Er sagte nicht: »Tara ist unsere Keyboarderin.«
    Aber ich hab noch mitgekriegt, wie Red Dog meinte: »Die Hälfte unserer Fans ist weiß. Vielleicht kommen die ja wegen ihr.«
    Ich schlüpfe in ein T-Shirt. Gleich sind wir in Memphis. »Ich hab nichts Unrechtes getan«, wiederhole ich. »Aber ich hätte mich vielleicht lieber in einen Klassik-Musiker verlieben sollen.«
    »Ich hab auch nichts Unrechtes getan. Was willst du, Tara? Willst du mich? Wenn ja, dann kümmere ich mich um King. Sag Bescheid.«
    »Ich bin kein Baby, ich kann mich selbst um ihn kümmern.« Hält er mich jetzt für eine dumme Gans, die nach ihrem Mann heult, damit er die schwierigen Dinge für sie erledigt? »Aber soll ich vielleicht tatenlos dabei zusehen, wie wir uns voneinander entfernen?« Ich habe einen dicken Kloß im Hals.
    »Ich bin immer noch da. Ich lasse dir Zeit, aber meine Geduld ist nicht endlos«, erwidert Aaron. »Du kannst nicht uns beide haben.«
    Ich atme aus, schüttle den Kopf, schließe die Augen. Dann gehe ich und setze mich im Bus nach hinten. Wenn Aaron sich so gewählt ausdrückt, hat er sich den Satz schon hundertmal durch den Kopf gehen lassen, das weiß ich, und ich gehe fest davon aus, dass er ihn in seinem nächsten Song verwendet. Tatsächlich schnappt er sich jetzt Papier und Stift und verlässt unser kleines Kabuff hinter mir. Ich bin es leid, meine Gedanken immer wieder umzudrehen und nach einer perfekten Antwort zu suchen. Ich bin es leid, mich mit diesem ganzen Zeug zu beschäftigen, also ziehe ich mein Keyboard heraus und fange an zu spielen.
    Meine Flucht. Meine Oase.
    Als ich einen Blick nach draußen werfe, sehe ich neben uns einen schwarzen Wagen. Auf seinem Rückfenster steht mit weißer Farbe:
    Wenn du Gott liebst
    und auch die Menschen,
    ist alles ganz einfach!
    Ich lese den Spruch laut vor.
    »Wie wahr, wie wahr«, sagt Red Dog.
    »Es ist einfach, aber nicht leicht«, meint Smoke.
    Aaron blickt nicht auf, sondern schreibt weiter.
    Am frühen Nachmittag sind wir in Memphis und wandern als Erstes die Beale Street hinunter. Im Vorbeigehen höre ich Musik aus den Ladentüren dringen: die Staple Singers, Elvis, Otis Redding, Jerry Lee Lewis, Booker T and the MGs. Ich kaufe eine leuchtend grüne Schürze für Mom und stelle mir vor, wie sie in ihrer blasslila Küche darin herumläuft.
    Im Rock 'n' Soul Museum reden alle über die Musik, die sie von ihren Müttern kennen. An der Tür hängt ein Schwarzweißposter von einer weißen Farmerin, umringt von fünf Kindern mit hohen Wangenknochen, und unglaublicherweise trägt sie genau das gleiche karierte Hemdblusenkleid wie Sky.
    »Guck mal, Sky, du hast ihr Kleid an.« Sky wirkt auch genauso erschöpft, müde und verhärmt wie diese Frau, denke ich.
    »Sehe ich tatsächlich so mies aus?«
    »Das Kleid steht dir hervorragend«, sagt Allie.
    »Ein Designerstück mit absichtlich ausgefransten Rändern. Hat ursprünglich dreihundert Dollar gekostet, aber ich habe es gebraucht für fünfundzwanzig erstanden, bei Crossroads in Santa Clara.«
    Allie macht ein Foto von Sky neben dem Poster mit der Farmerin. Zwei Generationen trennen die beiden Frauen, aber sie tragen das gleiche Kleid. Wir lachen alle darüber.
    Im Museum wird unter anderem erklärt, wie sich die weiße und die schwarze Musik mehr oder weniger zufällig über Arbeiterlieder, Kirchenmusik, Folkmusic und Blues miteinander vermischt haben und wie aus der Mixtur dann der Memphis Sound entstanden ist.
    Ein paar Blocks weiter kommen wir zum Civil Rights Museum und entdecken am Ende der Straße auch sofort das Lorraine Motel, genau wie wir es aus Dokumentationen, Büchern und von Fotos kennen. Ein weißer Plastikkranz mit einer verblassten roten Schleife hängt an dem Balkon, auf dem Martin Luther King erschossen worden ist.
    Aaron macht Fotos. »Für Mom«, erklärt er. »Sie redet ständig darüber, wie sie Martin Luther King Jr. in Detroit gesehen hat, wo er schon vor seiner berühmten Rede in Washington über seinen Traum gesprochen hat.« Als Nächstes fotografiert er das Motel-Schild. Unter dem Namen steht: »I have a dream MLK«. Zwischen dem e und dem v ist ein großer Abstand.

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