Ann Pearlman
Aaron, aber die Erklärung ist ihm offensichtlich rätselhaft. »Und man kann nicht mehr mit dem Menschen zusammen sein, außer hier drin.« Er deutet mit dem Finger auf sein Herz. »Nein, ich meine, was ist passiert, dass es so geworden ist?«
Also versuche ich ihm Troys Krankheit zu erklären, was Keime sind. Levy hört zu. Manchmal kann ich sehen, wie seine Gedanken wandern, dann schaut er von mir zu den Schneemännern und schiebt sie auf dem Backpapier herum, ordnet weitere Gruppen an.
Auf einmal unterbricht er mich. »Wird das mit meinem Daddy auch passieren?«
Wieder höre ich Skys Fluch, und ich nehme Levy in den Arm. Ich möchte nicht, dass er sich Sorgen macht, aber ich kann ihm auch keine schöne Lüge erzählen. Also sehe ich ihm in die Augen, nehme sein Gesicht in beide Hände und antworte: »Wahrscheinlich nicht. Du weißt doch, was wahrscheinlich heißt, oder nicht?«
Er schüttelt den Kopf.
»Dass Troy so krank geworden und gestorben ist, war ganz, ganz ungewöhnlich. Normalerweise sterben Leute nicht, wenn sie noch so jung sind, sondern warten, bis sie sehr, sehr alt sind. Älter noch als George.« George ist der älteste Mensch, den Levy kennt. Jedenfalls sieht er sehr alt aus. Er sitzt oft vor Mr. Charlie’s, dem Laden die Straße runter, spielt Schach oder zieht einen Penny aus Levys Ohr und schenkt ihn ihm. Ich deute auf die vierzig Schneemänner vor uns auf dem Tisch. »Stell dir vor, das ganze Zimmer wäre voller Schneemänner, die so dicht beisammen stehen, dass man den Fußboden nicht mehr sehen kann. Hunderte, Tausende, Millionen Schneemänner.« Ich mache eine große Geste über das ganze Wohnzimmer. »So viele, dass es tagelang dauern würde, sie zu zählen. Von all diesen Schneemännern würde nur ein einziger so jung an so einer Krankheit sterben wie Troy. Nur ein einziger.« Natürlich gibt es auch Autounfälle. Morde. Unwillkürlich gehen mir alle möglichen Todesursachen durch den Kopf, aber ich bleibe bei Levys Frage. »Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Daddy stirbt. Wahrscheinlich werden wir so alt wie George und rappen immer noch, ein bisschen zittrig natürlich.«
Als Aaron heimkommt, zerrt Levy ihn sofort zu unserer Schneemannausstellung. »Schau mal, Daddy, Schneemänner, Schneefrauen, Schneekinder.«
Selbstverständlich hab ich auch ein paar für uns gemacht. Sie schmecken genau wie Zuckerkekse.
Levy zeigt Aaron unsere Familie. Als er dann auf Sky und Rachel deutet, sagt er: »Du stirbst nicht wie Rachels Daddy. Das ist gar nicht wahrsch-einlich.« Ein bisschen stolpert er über das Wort.
»Ja, ich bin zäh«, antwortet Aaron. »Ich gehe nirgendwohin, ich bleib einfach hier bei dir und Mommy. Wir sind eine Familie.« Dann sucht er noch andere Schneemänner aus und sagt: »Red Dog, Smoke, T-Bone.« Smoke ist der größte, und T-Bone sieht besonders cool aus – sofern ein Schneemann cool aussehen kann.
»Können wir unsere Leute behalten?«, fragt Levy und schaut zu mir auf.
»Ja, vier davon gehören uns«, erkläre ich ihm. »Die anderen verschenken wir.«
»Gut«, antwortet er und nickt bekräftigend.
Ich lege jeweils vier Schneeleute in die zehn weißen Schachteln mit den kleinen Plastikfenstern, markiere eine davon für Sky und gebe ihr zu ihrer Zweierfamilie noch Mom und Smoke. Für Brooke mache ich eine Schachtel mit Molly und Tyler, überlege dann lange, wen ich als vierten Schneemenschen dazulegen soll, und entscheide mich schließlich für T-Bone. Am nächsten Tag bemalt beziehungsweise bekritzelt Levy die Schachteln mit roten und grünen Buntstiften.
Am Freitagabend treffen wir uns. Brooke übernachtet bei Sky, Aaron, Smoke und T-Bone fahren mit uns im Bus. Sie gehen ins Blind Pig, wo eine Crew spielt, die sie kennen. Ich frage mich, ob sie wohl auch ein paar Songs zum Besten geben – ohne mich? Wahrscheinlich schon. Aber das ist okay. Aaron wird von einer Schar College-Mädels belagert werden. Werde ich jemals aufhören, mir Sorgen zu machen? Wahrscheinlich nicht. Mein Dad hat mich gelehrt, dass Männer betrügen. Aber vielleicht gehört Eifersucht mit dazu, wenn man jemanden so sehr liebt. Dann hat man eben Angst, ihn zu verlieren.
Ich habe etwas Neues über Sky gelernt. Sie hat geglaubt, wenn man sich Sorgen macht, ist das eine Art Vorbeugung dagegen, dass etwas Schlimmes passiert. Ich glaube das nicht. Also kann ich doch genauso gut mit meinen Sorgen aufhören und mich daran erinnern, dass ich Aaron ohnehin nicht kontrollieren kann. Sein Vater
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