Ann Pearlman
das Leben auch ohne einen Mann voll und reich sein kann. Und dass ich stark genug war, es alleine hinzukriegen. Ja. Das ist mein Geschenk. Dass ich meine eigene Kraft erfahren habe.«
»Das hast du auch an mich weitergegeben, Mom. Ich spüre auch das Bedürfnis nach einem Partner, mit dem man alles teilt, aber ich kann Rachel auch alleine großziehen.«
»Aber ein Teil meines Geschenks war auch, dass wir diese ganz besondere Beziehung zueinander entwickelt haben«, sagt sie und zieht mit dem Finger eine Linie zwischen uns.
»Ja, das stimmt.« Sie hält meine Hand.
An diesem Nachmittag rufe ich auch im Hospiz an und trage mich für die nächste Support-Gruppe ein. Die Telefonnummer liegt schon fast einen Monat auf meinem Schreibtisch. Ich habe es vermieden, mir von Fremden helfen zu lassen, habe gezögert, diesen nächsten Schritt zu wagen, aber jetzt sehe ich, wie viel die Menschen einander helfen können, und möchte für andere da sein.
Und ich beschließe, eine Cookie-Party zu veranstalten, allerdings etwas anders als die von Mom. Als Erste rufe ich Brooke an. Sie bringt Molly und Tyler mit. Paul habe ich schon von Moms Cookie-Fest erzählt, er findet die Idee großartig und kommt auch. Rachel ist natürlich auch dabei. Tara und Levy. Tara hat Jennie und Robin eingeladen, ihre alten Freundinnen von der Highschool, aus der Zeit vor Aaron. Ich habe ihr gesagt, sie kann ruhig auch die Crew einladen, sofern sie bereit sind, zu backen und Plätzchen auszutauschen. Aber sie hat gelacht und gemeint: »Ich glaube, das lassen wir lieber.«
Marissa, meine Freundin aus der Middle School, bringt ihren Mann Andy mit.
»Aber er muss auch Plätzchen backen«, necke ich sie.
»Hey, seine sind besser als meine!«
Jennifer kommt mit ihren vierjährigen Zwillingen Kevin und Karen.
Insgesamt sind das elf Leute. Sechs Kinder. Zwei Männer. »Backt einfach eure Lieblingsplätzchen – nur wenn ihr Chocolate Chip Cookies machen wollt, müsst ihr die anderen anrufen und Bescheid geben. Sonst haben wir am Ende womöglich acht Portionen davon.«
Ich habe mir überlegt, ob ich Mom und Allie einladen soll. Aber ich möchte Moms Cookie-Party nicht beeinträchtigen. Wie viele Plätzchen kann ein Mensch denn backen?
Ich vermisse Allie. Also rufe ich sie an, und wir treffen uns am Freitagnachmittag zum Mittagessen im Roadhouse. Sie erkundigt sich nach meiner Arbeit und nach der neuen Wohnung. Ich erzähle ihr, dass ich ein Plätzchen-Fest machen will und dass Brooke kommt, zusammen mit Molly und Tyler, ich erzähle, dass Rachel den Kindergarten liebt und schon alle Farben und Formen kennt.
»Du machst das großartig, Sky. Das weißt du, oder nicht? Ich wette, du lachst sogar gelegentlich.«
»Zumindest versuche ich es. Im Januar bin ich für eine Support-Gruppe angemeldet, und ich lerne mit ein paar Leuten für die Zulassungsprüfung.«
»Isst du denn auch? Du bist immer noch zu dünn. Viel zu dünn.«
Demonstrativ schaufle ich mir einen großen Bissen Spinatsalat in den Mund, und Allie lacht. Aber sie hält den Kopf ein bisschen schräg, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie auf den Rest der Antwort wartet. »Ans Essen muss ich mich manchmal bewusst erinnern, ich neige dazu, es zu vergessen. Rachel hilft, weil sie Bescheid sagt, wenn sie Hunger hat, und ihr lieblingstes Essen einfordert. Das sich, nebenbei bemerkt, jede Woche ändert. Momentan ist es gebackener Brie mit karamellisierten Walnüssen.«
»Gebackener Brie?«
Ich erzähle ihr von Paul.
Als ich beim Ingwereis angekommen bin, frage ich Allie, wie sie eigentlich den frühen Tod ihres Vaters verkraftet hat. Und dass ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verlassen hat.
»Ich habe mich ständig auf einem schmalen Grat bewegt zwischen Rückzug und dem Wunsch, wieder in die Welt hinauszugehen. Sicher, man zieht sich zurück, um zu trauern, Zu meditieren. Sich die Dinge durch den Kopf gehen zu lassen.« Allie beugt sich über den Tisch, die Handflächen gegen die Tischkante gedrückt. »Aber man geht in die Welt hinaus, um an wundervolle Menschen erinnert zu werden, an Leidenschaft, Freude und Wachstum. Wenn man sich zu sehr zurückzieht, entwickelt man einen Panzer, und aus Trauer wird Depression.« Sie schüttelt heftig den Kopf, dass ihre wilden grauen Locken fliegen. »Aber wenn man zu schnell nach draußen geht, vernachlässigt man die Trauer. Das behindert den Heilungsprozess, und man lernt nicht, kluge Entscheidungen zu treffen.« Nach diesen Worten macht Allie
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