Ann Pearlman
sich wieder über ihr Eis her.
Ich lausche und warte, dass sie weiterspricht.
Ihre Stimme verändert sich, wird tief und leise. »Als Therapeutin habe ich in mehr als dreißig Jahren eine Menge Geschichten gehört. Wenn man ganze Leben kennenlernt, über Jahrzehnte hinweg, wird einem klar, wie stark der menschliche Überlebenswille ist und wie widerstandsfähig wir sind. Wir überwinden unaussprechliche Tragödien. Jede Familie leidet. Schmerz ist unausweichlich.« Jetzt legt sie den Löffel weg und blickt mir tief in die Augen. »Die meisten von uns machen weiter, wachsen, verändern sich, bauen sich wieder auf. Wir interpretieren unser eigenes Leben.«
»Ich weiß, dass ich Troys Vermächtnis und seine Liebe am besten mit mir in die Zukunft nehmen kann, indem ich glücklich bin.«
»Ja«, antwortet Allie. »Die Entscheidung, was du als Nächstes tust, liegt bei dir. Du wirst dich immer stärker fühlen, je mehr Zeit vergeht.«
Auf dem Nachhauseweg rufe ich Tara an. »Hey«, sage ich. »Ich hab dich lieb.«
Sie lacht. »Ich dich auch. Was gibt’s?«
»Ich bin einfach froh, dass wir – du und ich – da sind, wo wir sind. Und ich bin dir dankbar – dir, Aaron und Smoke. Ihr habt meinen verheulten, jämmerlichen, verqueren Zustand hingenommen. Mir ist auf dem Weg hierher alles viel klarer geworden. Und ich hab dich kennengelernt.« Ich räuspere mich. Schon komisch, wie die Dinge manchmal zusammenpassen und den Weg in die Zukunft weisen. »Ich bin sehr stolz, dass du meine Schwester bist.«
Sie lacht wieder. »Ich auch.«
»Und ich bin sehr froh, dass Levy und Aaron zu unserer Familie gehören.«
Das Leben läuft nicht so, wie wir es uns vorstellen, wie wir es erwarten, wie wir es planen. Aber ich mache weiter. Ich bin geliebt worden. Ich habe geliebt.
Auf einmal muss ich grinsen.
Jetzt fängt ein Leben an, ein neues Leben, das ich gestalte.
12
Tara
Cookie-Party
I ch muss verrückt sein. Wie bin ich denn bloß auf die Idee gekommen, dass ein Dreijähriger so was kann? Überall ist Teig, er tritt sich sogar in den Rissen im Linoleum fest. Die Teigrolle, die meiner Großmutter gehört hat, ist mit einer klebrigen Mehlschicht überzogen, man sieht kaum noch, dass sie ursprünglich aus Holz ist. Aber Levy ist glücklich und lacht, schiebt das Ding durch den Teig, schnappt sich ein Stückchen und schiebt es sich in den Mund. »Yummy, Mummy.« Dann nimmt er noch ein bisschen mehr, rollt einen Ball daraus, noch einen und noch einen, klebt alle aufeinander und verkündet: »Guck mal, ein Schneemann!«
Das macht alles sehr viel Spaß, aber so kriege ich keine zehn Dutzend Plätzchen gebacken, niemals. Mal ganz zu schweigen davon, dass ich garantiert den ganzen Nachmittag brauchen werde, um diese Mordssauerei wegzuputzen. Also brauche ich einen neuen Plan. Zuerst einmal küsse ich Levy und lobe den Schneemann, dem ich den verlorenen Kopf wieder anklebe.
»Das ist eine tolle Idee. Wollen wir Schneemänner backen? Schauen wir doch mal, wie wir das machen könnten.« Ich suche drei runde Ausstechförmchen unterschiedlicher Größe zusammen.
»Ich glaube, ich weiß einen Trick, wie es leichter geht. Und jede Menge Spaß macht«, erkläre ich und streue Mehl über Levys Hände.
Er kichert, als das pudrige Zeug über seine Finger rieselt.
»Und jetzt guck mal.« Ich streue auch über meine Finger etwas Mehl und reibe die Hände aneinander. »Das ist der Nicht-mehr-klebrig-Zauber. Dann pappt der Teig nicht so und ist viel leichter auszurollen.«
Tatsächlich, es funktioniert. Levy drückt die Förmchen in den Teig, ich hebe die Ausstecher mit dem Messer hoch, transportiere sie zum Blech, immer drei zusammen, der größte unten, und drücke die Stellen zusammen, so dass die Kreise überlappen. Zehn Dutzend Plätzchen brauche ich, aber jeder Schneemann zählt für drei. Vier vollständige Schneemänner für jede Gastfamilie.
Levy konzentriert sich aufs Ausrollen und Ausstechen, reibt seine Hände mit Mehl ab und schmiert sich welches ins Gesicht. »Schau mal, Mommy, mein Gesicht ist auch unklebrig gezaubert.«
Ich küsse ihn auf die Nase. »Tatsache – ich bin nicht festgepappt. An meinem kleinen Mann.« Auf einmal fällt mir auf, dass wir ihn nur noch ganz selten so nennen. Irgendwie scheint er dafür zu groß geworden zu sein.
Er lacht, und ich merke wieder einmal, wie schön es ist, ihn glücklich zu machen.
In der Küche herrscht Chaos, aber das ist mir egal. Ich kann später aufräumen.
Während
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