Ann Pearlman
albernsten Dinge: Mit der Zeit wird es leichter. In ein paar Jahren ist mein Leben wieder ganz normal. Das Universum hat mir Troys Tod als Lernerfahrung geschickt, dadurch werde ich stärker. Gott wollte Troy mehr als ich. Gott schickt den Menschen nichts, was sie nicht überleben können.
Ein paar sagen einfach nur, dass es ihnen leidtut. Das ist am besten. Aber es spielt auch keine große Rolle. Sissy meint, dass ich sehr stark bin. Und dass es mir irgendwann wieder bessergehen wird. Am liebsten möchte ich sie fragen, wann dieses Irgendwann sein wird.
Konfuse Anordnungen mit aussortierten Salatblättern und chaotisch arrangiertem, grell orangerotem Käse sind überall auf dem Tisch verstreut. Nackte, pieksige Traubenstiele liegen herum.
Tara kümmert sich um Rachel und Levy, sucht für sie eine Kindersendung im Fernsehen. Mom und Allie rutschen unbe haglich auf ihren Stühlen herum. »Du weißt, dass ich weg muss, ja? In drei Tagen muss ich nach Chicago fliegen«, sagt Mom.
Ich habe das Gefühl, dass ich nicke.
»Ich mache mir Sorgen um dich. Ich möchte nicht weg von dir. Ich hab Rosie angerufen.«
Rosie ist eine Freundin von Mom. Sie leitet die Anwaltskanzlei ihres Mannes und ist seine Assistentin.
»Sie ist schwanger und schafft die Arbeit in der Kanzlei nicht mehr. Du könntest dir den Job mit ihr teilen.« Mom schaut mir in die Augen, um zu sehen, ob das Angebot zu mir durchgedrungen ist. »Da könntest du arbeiten, bis du die Zulassung für Michigan hast.«
Ich nicke. Sie spricht das Thema an, weil sie mich nicht mit dem ganzen Chaos und mit Rachel alleine lassen will. »Du meinst, ich soll wieder nach Hause ziehen und mit Rosie arbeiten?«
»Das wäre jedenfalls eine Möglichkeit«, antwortet Allie.
Mom schaut Allie an. »Hier hast du außer Marc keine Freunde, weil ihr ja erst vor ein paar Monaten hergezogen seid. Kein soziales Netzwerk. Aber zu Hause hast du uns. Und Marissa und Jennifer. Deine alten Freundinnen.«
Das ist nicht Troys und mein Leben. Das habe ich nicht mehr. Ich habe mein Leben nicht mehr. Wir sind aus San Diego hierhergezogen, um näher bei unseren Jobs und bei Mia zu sein.
»Das ist zu kompliziert«, sage ich. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was das Beste wäre.« Mir ist klar, dass ich unzusammenhängendes Zeug rede, aber ich kriege es nicht besser hin. Genauso wenig kann ich den Sinn in dem entdecken, was die anderen mir sagen. Oder in dem grässlichen Essen.
»Wir können für dich packen. Zum Glück habt ihr die Wohnung ja nur gemietet, du kannst einfach kündigen.«
»Wir können dich und deine Möbel mitnehmen«, sagt Tara. »Natürlich nur, wenn du das willst …«
Ich kann Taras sorgenvolles Gesicht nicht ertragen. Das und ihre geschwollenen Lider und ständig nassen Augen.
»Ich helfe auch. Ich kann bleiben und dich unterstützen«, sagt Allie.
»Allie kann mit dir in deinem Auto fahren«, sagt Mom.
»Smoke fährt den Umzugswagen mit deinen Möbeln, Klamotten, Spielsachen und so weiter. Dann hast du alles beieinander.« Tara kauert sich vor mir hin, schaut mich an und wartet auf eine Antwort.
»Und dann kannst du alles in meinem Keller unterstellen, bis du selbst eine Wohnung hast«, ergänzt Allie.
»Wir fahren ziemlich genau die gleiche Strecke auf dem Rest unserer Tour«, sagt Aaron.
»Du kannst mit Rachel bei mir wohnen«, sagt Mom. »Dann bist du nicht allein.«
Aber ich weiß, dass das eine Lüge ist. Ich bin allein.
»Wenigstens, bis du eine Wohnung gefunden hast.«
Das macht keinen Unterschied. Ich weiß nicht, ob ich das im Kopf oder laut sage.
»Wir können Rachel und dich nicht hier allein lassen«, sagt Mom.
Was immer ihr für das Beste haltet.
»Dann seid ihr bei Menschen, die euch lieben. Und du hättest sogar einen Job, wenn du das möchtest«, sagt Allie.
Ich sehe sie lächeln, ich sehe ihre hoffnungsvollen Augen. Ich sehe ihre weißen Zähne.
Wie ist das alles so geworden?
Wie bin ich so geworden?
Ich halte die graue Urne auf den Knien und ziehe sie näher an meine Brust.
Was habe ich falsch gemacht?
5
Der Metallmann
Tara
N ach Troys Tod ist alles in der Schwebe. Niemand weiß, was er oder sie tun soll. Sky sitzt einfach nur da, rührt sich nicht und schweigt. Wir machen ihr Vorschläge, aber sie schaut uns an, als würden wir dummes Zeug reden.
Auch um Rachel kümmert sie sich kaum, sondern sieht sie nur traurig an. Sissy, Mom, Aaron und ich versuchen die Lücke zu füllen. Aber nur Levy scheint wirklich helfen zu
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