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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apfelblüten im August
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Trotz des Chaos von letzter Woche ist die Wohnung picobello. Braune und auberginefarbene Kissen aufgeplustert auf dem Sofa. Die DVDs im TV-Schrank makellos gestapelt. Nichts steht auf der Küchentheke, Geschirr, Gläser, Haushaltsgeräte, alles weggeräumt. Äußerliche Struktur sorgt für Ruhe und Ordnung. Draußen erstreckt sich das Meer um die ganze Welt. Als Rachel das nächste Mal an mir vorbeiläuft, greife ich nach ihrer Hand. Rachel ist nicht meine Tochter, ich bin nicht diejenige, die für sie sorgt, aber ich ertrage ihre verzweifelte Suche nicht mehr. Also nehme ich sie bei der Hand und knie mich vor sie, damit wir auf gleicher Augenhöhe sind.
    »Ist Daddy noch im Krankenhaus?«, fragt sie mich prompt.
    »Ich muss dir etwas sehr Trauriges sagen, Rachel«, antworte ich.
    Sie schaut mich mit den unheimlich grauen Augen an, die sie von Sky geerbt hat.
    Ich frage mich, ob sie es vielleicht schon weiß. Manchmal wollen wir Dinge nicht wissen, obwohl wir sie wissen. Ich nehme Rachels Hände in meine. Dann ziehe ich sie zu mir, damit sie meine Nähe spürt. »Daddy ist nicht mehr da«, sage ich leise in ihr Ohr. »Dein Daddy hat dich sehr lieb, mehr als irgendetwas auf der Welt, und er wäre am allerliebsten bei dir geblieben, aber es ging nicht, und jetzt ist er nicht mehr da. Deshalb sind Mommy und Grandma so traurig. Deshalb sind wir alle so traurig. Wir vermissen ihn.« Ich fange an zu weinen.
    »Kommt Daddy vielleicht morgen zurück?« Sie nickt, als wollte sie mich mit dieser Möglichkeit beruhigen.
    »Nein, Rachel, er kann nicht mehr zurückkommen.«
    »Nie mehr?«
    »Nie mehr.«
    Da fängt Rachel an zu heulen. Ich drücke sie an mich. Mom steht auf und schlingt ebenfalls die Arme um sie, Levy kommt herüber, dann Aaron, und so knien alle um Rachel herum und halten sie fest, während sie schreit und weint.
    Bestimmt hört Sky ihre Tochter schreien. So dick sind keine Wände.

4
    Unberechenbar
    Sky
    I ch erinnere mich an nichts. Nicht richtig jedenfalls. Ich weiß nur noch, dass Troys Abgang so glatt und geschmeidig war wie seine Sprünge ins Wasser: in Position begeben, ein fast unmerkliches Federn, dann der Absprung und ein Eintauchen fast ohne Spritzer. Nur ein letzter Atemzug. Troy ist zur anderen Seite gewechselt, als wäre er einfach untergegangen. Ganz sacht, ohne Aufhebens zu machen, hat er diese Welt verlassen.
    Kaum ein Kräuseln an der Oberfläche. Kaum ein Ton. Trotzdem ist der Sprung endgültig und nicht umkehrbar.
    Die Ärztin hat mich gefragt, ob ich eine Autopsie machen lassen will. Weil ihnen das vielleicht hilft zu verstehen, wie der Keim sich in ihm festsetzen und ausbreiten konnte. Sie meinte, das ist eine Chance von eins zu einer Million, total ungewöhnlich – bei einem so jungen und anscheinend gesunden Mann.
    Aber ich habe abgelehnt, weil er genug durchgemacht hat, und dabei seine kalte Hand festgehalten.
    Bis Mom mich irgendwann hochzog und sagte, dass wir nach Hause müssen. Dass ich schlafen muss. Dass sie Troy wegbringen müssen.
    Also habe ich es getan. Ich habe getan, was man mir sagt.
    Ich hatte jede Menge zu tun und zu organisieren. Was ich nicht geschafft habe, hat Mom übernommen. Mias Mann, Marc, hat uns viel geholfen, denn ihr Tod war für ihn noch so frisch, daher wusste er, was zu tun ist. Er hat die Entscheidungen getroffen, hat einen Ort für die Gedenkfeier gefunden, einen Nachruf geschrieben, er hat telefoniert und Mails verschickt – Troys Freunde, sein Basketballteam, die Kanzlei, unsere Schul freunde. All so was. Er wusste Bescheid. Er hat mich nur angesehen und den Kopf geschüttelt. Ich erinnere mich nicht, dass er ein einziges Wort gesagt hat. Mom hat versucht, mich zu unterstützen, bei mir zu sein. Nur sie kann nachvollziehen, wo ich bin, wo ich war. Sie hat mit mir zusammen Dads Tod erlebt, und jetzt das. Im Kopf mache ich eine Liste: Der Tod meines Vaters. Drei Fehlgeburten. Eine Totgeburt. Mias Tod. Die Kündigung. Troys Tod. Kurz überlege ich, ob ich die Katastrophen in mein Smartphone eingeben soll. Vielleicht gehen sie mir dann nicht mehr ständig im Kopf herum. Als ich auf den Knopf drücke, blickt mir meine alte Einkaufsliste entgegen: Spülmittel, Eier, Kaffee, Weichspüler, Olivenöl, Kirschen, Mandeln. Nichts davon habe ich gekauft.
    Der Tod meines Vaters. Drei Fehlgeburten. Eine Totgeburt. Mias Tod. Troys Tod.
    Werde ich bestraft?
    Was habe ich nur falsch gemacht?
    Ich sitze an meinem Fenster und bemerke eine kleine Beule am Rahmen, kleine

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