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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apfelblüten im August
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einer Situation sollten wir alle zusammen sein. Aber ich stehe immer abseits, immer ein bisschen außen vor. Mir fällt King ein, der gesagt hat, ich soll auch an mich denken, für mich sorgen. Wie mache ich das? Und dann fällt mir plötzlich die grauhaarige Frau ein, die auf der Straße Chopin gespielt hat.
    »Kann ich mit Sky reden?«
    »Ich geb sie dir.«
    »Hi.«
    Sky antwortet nicht.
    »Ich war gestern Nacht bei Troy. Hat er es dir erzählt?«
    Schweigen.
    »Es tut mir so leid. So furchtbar leid. Ich liebe ihn.« Die Tränen sind wie ein Kloß in meinem Hals. »Ich werde ihn immer vermissen. Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Wieder bekomme ich keine Antwort.
    »Ich liebe dich, Sky. Meine Gedanken sind bei dir. Bei euch allen. Gibt es irgendwas, was ich tun kann?«
    Dann sagt Moms Stimme. »Sie kann nicht sprechen.«
    Ich halte Maddie fest. Der Stoffhase hat ganz seidige Ohren. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wahrscheinlich nichts. Mich um Rachel kümmern. Morgen fahren wir nach Las Vegas.
    »Sollen wir Rachel mit nach Vegas nehmen?«
    »Nein. Komm doch einfach zur Wohnung, bevor ihr aufbrecht.«
    »Okay, dann sehen wir uns morgen früh.«
    Maddie hält sich mit den Pfoten eine Karotte an den Mund, als wollte sie davon abbeißen. Sie hat dunkle, glänzende Knopfaugen, die ihr einen weisen Ausdruck verleihen. Ich drücke das Häschen fest an mich und weine.
    »Ich werde mich selbst vermissen«, hat Troy gesagt. Ich werde mich selbst vermissen .
    Ich werde ihn vermissen, aber ein Teil von mir ist mit ihm verloren gegangen, ein für alle Mal. Auch ich vermisse mich selbst.
    Am nächsten Morgen prangt auf der Kulturseite der Zeitung die Schlagzeile »Detroit erobert L. A.«. In der Besprechung steht was von einer Wende im Hip Hop, sie bescheinigt uns tiefgründige Texte und eine Geschlossenheit, die neu ist in dieser Branche. Wir werden als eine Crew beschrieben, die eng zusammenarbeitet, einen frischen Sound und ein frisches Bewusstsein in die Szene bringt. Die alte Wunden heilt und den Motown-Sound wieder zum Leben erweckt. In Bezug auf mich werden meine Prägnanz und meine Energie hervorgehoben , dazu meine tonreichen Hooks und eine gewisse Unberechenbarkeit, beides untrügliche Kennzeichen meiner Kreativität. Ich halte mich selbst nicht für unberechenbar, aber das ist schon das zweite Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden, dass mir jemand dieses Attribut zuschreibt. Na gut, ich weiß oft nicht, was ich tun werde, bevor ich es tue, das habe ich ja bereits erwähnt. Während ich die Kritik lese, denke ich: Aaron und ich brauchen King bestimmt nicht. Brauche ich ihn?
    Mit dem Tourbus fahren wir zu Sky. Die Crew wartet, während Aaron, Levy, Rachel und ich reingehen. Mom hat dunkle Ringe um die Augen, ihre Lider sind geschwollen. Als sie uns sieht, legt sie den Finger an die Lippen und flüstert: »Psst, Sky ist gerade eingeschlafen.«
    Mom ist sehr bleich.
    Aber Rachel ist so aufgeregt, dass Moms Warnung nicht wirkt. »Mommy! Daddy!«, ruft sie und rennt ins Haus.
    Garantiert wird Sky von ihrem Rufen aufwachen.
    Mom und ich sehen uns an, dann schaut sie weg, setzt sich an den Esstisch, stützt den Kopf in die Hände und wickelt eine Haarsträhne um den Finger, eine nervöse Geste, die ich seit meiner Kindheit kenne.
    »Hat Sky irgendwelche Pläne gemacht?« Ich möchte meine Schwester sehen. Mit ihr weinen.
    »In drei Tagen gibt es einen Gedenkgottesdienst.«
    »Bleibst du bei ihr? Nimmt sie ein paar Wochen frei?«
    »Sky hat ihre Stelle verloren.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Es kam auch ganz unvermittelt. Am gleichen Tag, an dem sie Troy ins Krankenhaus gebracht hat.«
    Mom sitzt da, ich stehe da und möchte helfen, kann es aber nicht.
    »Wir haben keine Pläne. Aber ich muss nächste Woche in Chicago auf einer Konferenz sprechen.« Mom bildet Versicherungsvertreter in Verkauf und Marketing aus.
    Rachel kommt aus dem Wohnzimmer gerannt und ruft: »Daddy, Daddy!«
    Levy zupft an Aarons Hand. »Hier ist Daddy.«
    Rachel wirft Aaron einen kurzen Blick zu und läuft wieder nach oben.
    »Jemand muss es ihr erklären«, sage ich.
    »Das ist Skys Sache«, antwortet Mom.
    Ich werde mich selbst vermissen, hat Troy gesagt. Der Satz geht mit nicht aus dem Kopf.
    Vielleicht ist es falsch, was ich jetzt mache. Mom sitzt da und zwirbelt ihre Haare, Levy hält Aarons Hand, Sky ist in ihrem Zimmer, schläft oder versteckt sich. Jedenfalls ist sie nicht erreichbar für Rachel, die durchs Haus rennt und Troy sucht.

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