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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apfelblüten im August
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Ton mehr gespielt. Aber ich singe weiter und komme ein bisschen besser in Schwung. Eine Frau in der ersten Reihe mustert mich mit zusammengekniffenen Augen und sagt etwas zu ihrer Freundin. Die schüttelt den Kopf und zuckt die Achseln. Mir läuft der Schweiß über den Rücken, meine Hände rutschen auf den Tasten.
    Bei der nächsten Zeile klingt meine Stimme völlig daneben. Als ich einen schnellen Blick zu Special und der Crew werfe, zieht T-Bone gerade das Mikro zum Mund, um mich zu unterstützen. Alle machen sich bereit, einzuspringen und Backup zu singen, um mein Gemurkse zu überdecken.
    Das ist meine Chance, sage ich mir. Sing, wie du im Bus gesungen hast. Wie ich für Levy singe. So eine Chance kriegt man nicht ständig.
    Ich hole tief Luft, kneife die Augen zu und fange noch mal an. Mit meinem Lieblingsakkord von Fauré bringe ich das Publikum dazu, die Verbindung zu dem Rap-Song zu spüren, den wir davor gespielt haben.
    Der Akkord gibt mir Mut. Als er langsam im Saal verhallt, gleiten meine Finger wieder ganz selbstverständlich über die Tasten, und ich bewege mich zum Geist der Worte. Noch einmal atme ich tief ein und lege los, meine Stimme vereint sich mit dem Keyboard, sie werden eins, meine Kehle steuert ihre eigenen Töne bei. Jetzt bin ich zu Hause. In meinem Element. Ich achte nicht mal mehr auf die Zuhörer, sondern singe für das Universum.
    Und ich höre auf mit:
    Die Liebe ändert sich
    Ich werde mich vermissen
    Das Ich, das ich zusammen mit dir bin.
    Und dann wiederhole ich wie ein Mantra:
    Die Liebe ändert sich
    Die Liebe ändert sich
    Die Liebe ändert sich
    Fast unmerklich verändere ich dabei auch die Melodie, bis sie ganz neu geworden ist. Genau wie die Liebe sich ändert. Tränen strömen mir übers Gesicht, und ich denke, während ich hier stehe und singe, an all die Veränderungen der letzten Wochen. An Troys Tod, an Rachel, die um ein Haar ertrunken wäre, an King, der mich in Versuchung geführt hat, und an diesen Song, diesen kleinen Song, der seine Botschaft an eine Menschenmenge weitergibt. Diesen Song, den ich fast verraten hätte.
    Die Leute beginnen mitzusingen.
    Special hält sein Mikro so, dass das Publikum sich hören kann, nickt der Crew zu, und sie flüstern in ihre Mikrophone:
    All love changes . Jede Liebe ändert sich.
    Es wird ein Slogan. All love changes . Das S vibriert in der Luft, schlängelt sich um uns herum.
    Plötzlich reißt Special mittendrin die Hand nach unten, und wir verstummen augenblicklich. Love ist das letzte Wort.
    All love .
    Auf einmal muss ich an Aarons Vater denken, wie nah mein Text an dem ist, was er beim Abschied immer gesagt hat. Just love . Einfach Liebe. Habt euch einfach lieb. Ich erinnere mich noch genau daran, wie Sissy und Aaron sich darüber unterhalten haben.
    Und ich singe es, ganz allein und a cappella.
    Just love .
    Special macht große Augen, als er merkt, was ich da tue, und er versteht die Anspielung.
    Schluss.
    Das Konzert ist vorbei.
    Wir beenden es, indem wir allen sagen, sie sollen sich einfach lieben. Besser geht es sowieso nicht, auch wenn die Liebe oft so verworren und verwirrend ist. Und so wehtun kann. Vermutlich hatte Aarons Vater die ganze Zeit schon recht. Einfach Liebe, und alles ist okay. Na ja, vielleicht nicht okay, aber besser. Was für eine wunderbare Idee.
    Ich habe den Backstage-Bereich noch nicht ganz erreicht, als ein Bote mit drei Duzend orangefarbenen Rosen vor mir auftaucht, einer von Kings Typen. Er verbeugt sich und überreicht mir die Blumen, deren Duft mich umhüllt und sofort an Sissy erinnert. Levy kommt angerannt, schlingt die Arme um meine Beine und macht seinen Anspruch auf mich geltend. Ich gehöre nicht dem Publikum da draußen, sondern ihm.
    Und dann drückt mir der Typ noch ein Päckchen in die Hand, in glänzend orangefarbenes Papier gewickelt, mit goldener Schleife und aufwändig gekräuseltem Goldband.
    »Du hast dich heute Abend selbst übertroffen«, sagt der Typ. »Herzlichen Glückwunsch.« Er legt die Hände zum Namaste zusammen, verbeugt sich wieder und zieht sich zurück.
    Aaron beobachtet die Szene mit gerunzelter Stirn. Obwohl ich überhaupt nichts getan habe, ist er sofort wütend.
    Sky und Allie sind irgendwo im Publikum, ich habe Sky von der Bühne aus gesehen, als ich mein Keyboard eingeschaltet habe. Ich bin nicht sicher, ob sie mich seit meinem ersten Klaviervorspielen überhaupt je auf der Bühne gesehen hat, sie hatte immer zu viel zu tun am College, beim Jurastudium,

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