Ann Pearlman
gerettet hast.«
»Hey, das ist doch selbstverständlich«, sagt er mit einem leisen Lachen, zieht mich an sich, und wir umarmen uns ganz ent spannt und voller Sehnsucht. Dann kriecht Levy zu uns ins Bett, und wir fangen an, einander zu kitzeln und herumzutoben.
Wir werden Allie, Sky und Rachel in Albuquerque treffen. Rachel möchte mit uns fahren, aber Sky sagt ihr, dass sie sich einsam fühlt, wenn Rachel nicht bei ihr ist. Rachel berührt sanft die Wange ihrer Mutter.
»Wir holen euch dann dort ein.« Allie hat einen schwarzen Seidenpyjama an, ihre Locken stehen wild vom Kopf ab. Als sie merkt, dass ich sie anstarre, streicht sie sich über die Mähne und lacht. »Oh, meine Medusenhaare.«
Dann sind wir unterwegs. Genau wie immer, nur Smoke vermisse ich, weil er Skys Möbelwagen fährt. Die Felsen und Tafelberge sind rot, auf der Straße jede Menge Trucks. Jetzt bin ich wieder Teil einer Rap-Crew, und als wir fünfzig Meilen hinter uns haben, spiele ich an meinem Keyboard rum und denke mir eine Melodie zu I’ll Miss Myself – Ich werde mich selbst vermissen – aus. Aaron arbeitet an einem Text, und es sieht ganz danach aus, als hätte sich Levy Smokes Djembe Africa angeeignet. Red Dog und T-Bone machen Videospiele auf ihren Palmtops und schreiben SMS, wahrscheinlich an drei verschiedene Frauen. Mein Streit mit Sky. Rachels Unfall, der fast tödlich geendet hätte. Allies Geschichte … alles verblasst, während die Töne, die durch den Bus ziehen, sich mit dem Surren der Reifen auf dem Asphalt vermischen.
Dann ruft Mom an, und ich gehe nach vorn zu Thumble. Er ist in mein Dasein als Tochter eingeweiht. »Wie geht es Sky?«, fragt Mom, noch bevor sie Hallo gesagt hat.
»Sie hat sich gestern mit jemandem aus Michigan angefreundet.«
»Einem Mann?«
Ich stelle mir Moms Gesicht vor, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen, während sie hofft, dass ein anderer Mann Sky helfen wird, Troy zu vergessen. Dabei vergisst sie natürlich, dass diese Taktik bei ihr selbst ganz und gar nicht hingehauen hat. Ob mein Vater das für sie war – eine Ablenkung von der Trauer? Kein Wunder, dass die Beziehung nicht gehalten hat. Als Mensch war er für sie nie wichtig. Für den Bruchteil einer Sekunde tut er mir leid.
»Nein, eine Kunstlehrerin aus Lansing mit zwei Kindern.«
»Auch eine alleinerziehende Mutter.« Ich höre fast, wie Mom zustimmend mit dem Kopf nickt. »Dann öffnet sie sich bestimmt ein bisschen.«
»Vielleicht.« Ich erzähle ihr nicht, dass Rachel fast ertrunken ist und Aaron sie aus dem Pool gezogen hat. Ich will sie nicht beunruhigen, auch wenn Aaron mit seiner Rettungstat bestimmt ein paar Pluspunkte gewinnen könnte. »Sie redet auch schon ein bisschen mehr und überlegt sogar, heute Abend ins Konzert zu kommen.«
»Oh, das Konzert«, sagt Mom, und es klingt, als hätte sie schon ganz vergessen, dass wir deswegen hier sind, dass wir genau genommen auch deswegen Sky helfen können.
»Wie war dein Vortrag?«, frage ich sie.
»Okay. Ich bin noch in Chicago, aber die Konferenz ist fast zu Ende.«
Einen Moment herrscht Schweigen, und ich überlege, ob sie mich gleich fragen wird, wie es mir geht. Wie es am Grand Canyon war. Was Levy macht.
Aber stattdessen fragt sie: »Wie geht es Rachel?«
»Gut. Sie ist total gern mit Levy und Allie zusammen.«
»Schön. Ich dachte mir schon, dass Allie eine gute Ersatzmutter abgeben würde. Ich bin sehr froh, dass sie ihre Wellnesspläne verschieben und einspringen konnte. Typisch Allie.«
»Sie ist bei Sky und Rachel in Skys Wagen.«
»Ich wollte mich nur kurz erkundigen, wie es Sky geht.« Anscheinend geht sie davon aus, dass Sky nicht selbst Auskunft über ihren Gefühlszustand geben kann.
»Sky kommt mit Veränderungen und unerwarteten Ereignissen nicht so gut zurecht. Sie legt Wert darauf, dass alles nach Plan läuft.«
»Das stimmt wohl«, bestätigt Mom, als hätte sie diesen Nachteil an Skys organisiertem Ehrgeiz noch nie wahrgenommen. Ich vermute, dass sie aufgestanden ist und hin und her läuft. Sie kann nicht lange stillsitzen. Vielleicht ordnet sie ihre Toilettensachen oder faltet ihre Klamotten für den Koffer zusammen. »Tja, ich denke, dann versuche ich mal, sie anzurufen. Pass auf dich auf. Und fahrt vorsichtig«, sagt sie und legt auf, ehe ich mich verabschieden kann.
Sofort klingelt das Telefon wieder, und ich denke schon, dass es noch mal Mom ist, aber auf dem Display erscheint Sissys Name.
»Hallo Schätzchen«, sagt sie, und
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