Anna, die Schule und der liebe Gott
dagegen sind ziemlich uninteressant.
Man mag sich das Ganze in etwa so vorstellen: Was passiert, wenn man mit einem normalen Straßenfahrzeug ein Formel-1-Rennen bestreiten möchte? Natürlich muss man als Erstes den Motor auswechseln oder tunen, damit der Wagen über dreihundert Stundenkilometer fährt. Doch wenn man das tut, hat man noch lange keinen Rennwagen, sondern fliegt mit Volldampf aus der Kurve. Also muss man den Wagen zusätzlich tieferlegen und die Karosserie stabilisieren. Selbst das aber führt noch nicht zu einem Sieg im Rennen, denn so ein Auto muss man auch fahren können. Ein normaler Kraftfahrer ist damit überfordert, es braucht einen Könner, der genau für diese Aufgabe ausgebildet ist. Und damit er tatsächlich eine Chance hat zu gewinnen, benötigt er noch ein Team für den Boxenstopp usw. Wahrscheinlich ist es bei alledem besser, man tunt nicht seinen Straßen-Pkw, sondern bildet ein Expertenteam und konstruiert von Anfang an einen passenden Rennwagen.
Man stelle sich nun einmal vor, man mäße während des ganzen Umbaus, was denn nun am wichtigsten gewesen sein soll: der Motor, das Tieferlegen, die Achsenverstärkung, der Fahrer oder das Team? Ein witzloses Unterfangen! Und nicht anders verhält es sich mit der Hattie-Studie. Doch so wissenschaftlich bedenklich sie auch ist, die Untersuchung ist Wasser auf die Mühlen jener, die das Schulsystem nicht ändern wollen, weil es im Grunde ja doch nur auf den Lehrer ankommen soll. Bedauerlicherweise verstärkt die Studie damit jenen Grabenkampf zwischen denen, die das System ändern wollen, und denen, die alles nur für eine Sache des Lehrers und seiner Fachausbildung (was immer das sein soll) halten. Meist ist es die Front der Linken, die die Systemfrage stellt, um Ganztags- und Gesamtschulen durchzusetzen, gegen die Front der Konservativen, die das System belassen will, wie es ist (besonders seine Gymnasien), und stattdessen bessere Lehrer, mehr Lern-Effizienz und keine Ganztagsschulen einklagt. Für die einen ist es eine Systemfrage, und für die anderen eine Personalfrage. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen beidem bleibt dabei die erdabgewandte Seite des Mondes. Und was völlig zu kurz kommt, ist die Frage: Wie lernen wir was und warum?
Viel mehr als aus Hatties Studie lernt man von den Erfahrungen, die mutige und phantasievolle Schulen auch in Deutschland mit ungewöhnlichen Ideen, hoch motivierten Lehrern und gut aufeinander abgestimmten Konzepten gemacht haben, beispielgebende » Pionierschulen « wie etwa die Jenaplan-Schule in Jena, die Bodensee-Schule St. Marin in Friedrichshafen, die Montessori-Gesamtschule in Potsdam oder die Max-Brauer-Schule Hamburg. » Treibhäuser der Zukunft « nennt sie der Bildungsexperte Reinhard Kahl. 129
Alle guten Ideen zu einem neuen » gehirngerechten « Lernen funktionieren nur, wenn sie auf ganz anders ausgebildete, aufgeschlossene und vor allem phantasiebegabte Lehrer treffen, deren natürliche Autorität aus einer überzeugenden Persönlichkeit stammt. Bessere Schulen brauchen einen bessere Rahmen und ein im Schnitt besseres Personal als heute. Ansonsten werden viele gute Ideen und Konzepte des » gehirngerechten « Lernens nicht greifen können.
Es wird im Folgenden darum gehen, Vorschläge und Anregungen zu einer solchen anderen Struktur zu machen. Teile davon sind alt, andere neu. Manches ist bereits in anderen Ländern und gelegentlich auch an einigen Schulen bei uns realisiert, anderes bislang kaum. Selbstverständlich ist all dies kein Masterplan, sondern eher ein Modell des Zusammenspiels der überzeugendsten Ideen. Ein Fundus an miteinander verknüpften Anregungen. Ein Selbstbedienungsladen, wenn man so will, für aufgeklärte Pädagogen, Schulleiter und Schulentwickler. Eine gute Schule entsteht nicht am Reißbrett oder in der Fantasie eines Einzelnen, sondern sie entsteht in der Praxis: aus der Weisheit der vielen, allen voran den Ideen von Lehrern, Eltern und Schülern.
Zehn Prinzipien
Die Mezquita in Córdoba ist heute eine katholische Kathedrale. Viereinhalb Jahrhunderte hinweg war sie eine Moschee, eine der größten und schönsten der Welt. Ihre braun-weiß unterteilten Hufeisenbögen mit ihren 856 Säulen verzaubern und entrücken den Bau ins Spirituelle; es ist ein Ort der Meditation und der Kontemplation. Als die Spanier im Jahr 1236 Córdoba von den Mauren zurückeroberten, weihten sie die Moschee um zu einer christlichen Kirche. Doch der maurische Stil blieb den
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