Anna, die Schule und der liebe Gott
das Dasein spannend, ohne dass man dafür auf ständige Außenreize angewiesen ist. Eine solche Bedeutung entsteht auch durch das Bilden von Teams, in denen man stolz aufeinander ist und sich wechselseitig inspiriert und motiviert. Die angelsächsischen Schulen und Universitäten kennen das Geheimnis solcher Teams schon seit sehr langer Zeit, einschließlich der dazugehörigen Initiations- und Abschiedsrituale, Bräuche und Traditionen. Fast jedes Kind kennt sie heute aus Harry Potter. Ein bisschen Hogwarts tut jeder Schule gut. Und nicht zuletzt sollte man (trotz der bekannten Einwände) sehr ernsthaft darüber nachdenken, Schuluniformen einzuführen. Die Vorteile überwiegen ganz entschieden gegenüber den Nachteilen. Wer seine Schule als einen Ort sieht, der die inneren Werte seiner Schüler fördern will, sollte überlegen, wie groß der Stellenwert materieller Äußerlichkeit in einer Schulgemeinschaft sein soll. Eine Schuluniform verringert nicht nur die sichtbaren sozialen Unterschiede, sie befreit ebenso von dem alltäglichen Terror des Markenfetischismus auf unseren Schulhöfen (eine Erlösung auch für viele Eltern). In diesem Sinne unterstützen Schuluniformen eine soziale Anerkennungskultur, die sich nicht primär auf Äußerlichkeiten richtet.
Das siebte Prinzip betrifft eine lernfreundliche Schularchitektur. Die meisten konventionellen Schulgebäude erinnern an Krankenhäuser, Finanzämter oder Kasernen. Lange phantasieverlassene Flure, von denen in Reih und Glied Zimmer ausgehen. Als man damit begann, solche Schulen zu bauen, wusste man nahezu nichts über das Lernen und fast ebenso wenig über die Psychologie von Kindern. Vorbild waren Verwaltung und Militär. Eine moderne Schule dagegen orientiert ihre Architektur an den Bedürfnissen lernender Menschen. Die Unterteilung der Schule in Lernhäuser beinhaltet, dass die Schularchitektur dezentral ausgerichtet ist, organisiert rund um einen Campus als Mittelpunkt. Sie schafft Nischen und Rückzugsorte, aber auch Begegnungsräume. Eine moderne Schule ist keine optische Verwaltungseinheit, sondern bildet die Wissensgesellschaft ab. Sie ist ein Netzwerk an architektonischen Beziehungen.
Ein achtes Prinzip besteht darin, die Konzentrationsfähigkeit zu trainieren und zu pflegen. Je mehr es in der Welt unserer Kinder und Jugendlichen » piept, ploppt, twittert und livetickert « (Sußebach), umso wichtiger wird es, die Kunst zu beherrschen, sich vor solchem Aufmerksamkeitsraub zu schützen. Noch nie in der Geschichte der Menschheit wurden heranwachsende Gehirne von so viel Reizen bestürmt und überflutet wie heute. Dass viele Kinder damit so überfordert sind, dass sie die Fähigkeit verlieren, sich dem zu entziehen, darf nicht verwundern. Sie verlernen, nein zu sagen und länger bei einer Sache zu bleiben. Und je mehr Elternhäuser hier versagen oder aufgeben, umso wichtiger wird die Aufgabe der Schule, für Konzentration und Stille zu sorgen. Dringend erforderlich ist ein Training, das vom ersten Schuljahr an und durch die ganze weiterführende Schule unseren Kindern hilft, sich zu sammeln, zur Ruhe zu kommen, sein eigenes Tun zu reflektieren, sich selbst besser zu verstehen. Ob man dieses Coaching nun » Glück « nennt, » Lebenskunst « oder » Philosophie « , ist dabei vergleichsweise egal.
Ein neuntes Grundprinzip betrifft die persönlichen Bewertungen von Schülerleistungen. Wie gezeigt, wird das Ziffernsystem der Persönlichkeit unserer Kinder nicht gerecht. Es stammt aus einer psychologisch und pädagogisch uninformierteren Epoche, trägt maßgeblich zum Korrumpierungseffekt bei und gehört definitiv nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Deshalb ist es höchste Zeit, es durch gegenwärtigere Bewertungen zu ersetzen – und zwar nicht als Ergänzung, sondern tatsächlich als Nachfolge. An ihre Stelle tritt ein sorgsames, auf die Individualität des Kindes bezogenes Monitoring. Dieses Monitoring schließt weder spielerischen Wettbewerb aus noch kodifizierte Anerkennungssysteme. Doch alles, was an Punkten, Symbolen, Meriten usw. verteilt wird, hat seine Bedeutung nur intern. Es klassifiziert das Leistungsvermögen eines Schülers nicht für einen Außenstehenden.
Das zehnte Prinzip ist die Ganztagsschule. Wer Bildungsgerechtigkeit nicht nur beschwört, sondern ernst nimmt, kommt nicht umhin, den schädlichen Einfluss mancher Elternhäuser auf den Lernerfolg zu verringern. Das aber geht nur, wenn alles in der Schule relevante Lernen auch tatsächlich in
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