Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendare Blake
Vom Netzwerk:
ängstlich.
    »Halt den Mund und geh zur Tür«, rufe ich. Ich hebe den Athame, vor dem Anna nicht die geringste
Angst hat. Dieses Mal fällt sie mich an. Mit der freien Hand packe ich sie am Handgelenk und benutze das Messer, um sie in Schach zu halten.
    »Anna, hör auf damit!«, fauche ich. Allmählich färben sich ihre Augen wieder weiß. Sie knirscht mit den Zähnen, während sie die Antwort hervorstößt.
    »Schaff sie hier raus!«, stöhnt sie. Ich versetze ihr einen Stoß, um sie noch ein Stück zurückzudrängen, dann fasse ich Carmel am Arm und renne mit ihr zur Tür hinaus. Wir drehen uns erst um, als wir die Verandatreppe hinuntergesprungen sind und draußen auf der Erde im Gras stehen. Die Tür ist zugefallen, drinnen tobt Anna, zerbricht die Einrichtungsgegenstände und zerschmettert alle möglichen Dinge.
    »Mein Gott, sie ist so schrecklich.« Carmel schmiegt sich an mich. Ich drücke sie leicht, dann löse ich mich von ihr und steige die Verandatreppe hinauf.
    »Cas! Geh da nicht wieder rein!« Ich weiß, was sie beobachtet zu haben glaubt, aber ich habe genau gesehen, dass Anna sich zurückhalten wollte. Als ich auf der Veranda stehe, erscheint Annas Gesicht im Fenster. Sie bleckt die Zähne, die dunklen Adern schimmern durch ihre weiße Haut. Sie schlägt gegen das Fenster, das im Rahmen scheppert. In ihren Augen steht dunkles Wasser.
    »Anna«, flüstere ich. Ich gehe zum Fenster, doch ehe ich die Hand heben kann, schwebt sie zurück, dreht sich um und gleitet die Treppe hinauf. Dann ist sie verschwunden.

Carmel redet die ganze Zeit auf mich ein, während wir Annas ungepflegten Kiesweg hinuntertrampeln. Sie stellt mir eine Million Fragen, auf die ich kaum achte. Ich muss die ganze Zeit daran denken, dass Anna zwar eine Mörderin ist, aber nicht böse. Anna tötet, aber sie will nicht töten. Sie ist anders als alle anderen Geister, mit denen ich bisher zu tun hatte. Gewiss, ich habe schon von Erscheinungen gehört, die sich ihrer selbst bewusst sind. Laut Gideon sind sie stark, aber selten feindselig. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Carmel fasst mich am Ellenbogen, und ich fahre herum.
    »Was ist?«, fauche ich.
    »Willst du mir nicht sagen, was du da drin getan hast?«
    »Eigentlich nicht.« Anscheinend habe ich länger geschlafen, als ich dachte, oder länger mit Anna gesprochen, als ich angenommen habe, denn im Osten dringen schon die ersten Lichtstrahlen durch die niedrigen Wolken. Die Sonne ist sanft und brennt mir dennoch schmerzhaft in den Augen. Dann fällt mir
etwas ein, und ich wende mich blinzelnd an Carmel. Erst jetzt wird mir wirklich bewusst, dass sie da ist.
    »Du bist mir gefolgt«, stelle ich fest. »Was tust du hier?«
    Sie macht eine fahrige Geste. »Ich konnte nicht schlafen und wollte wissen, ob es wahr ist. Deshalb bin ich zu dir gefahren und habe gesehen, wie du aufgebrochen bist.«
    »Du wolltest wissen, ob was wahr ist?«
    Sie sieht mich eindringlich an. Ich soll es selbst aussprechen, damit sie es nicht in den Mund nehmen muss. Solche Spielchen kann ich nicht leiden. Nachdem ich ein paar Sekunden lang gereizt geschwiegen habe, redet sie weiter.
    »Ich habe mit Thomas gesprochen. Er sagt, du …« Sie schüttelt den Kopf, als fände sie es dumm, so etwas auch nur in Betracht zu ziehen. Ich dagegen fühle mich dumm, weil ich Thomas vertraut habe. »Er sagt, es ist dein Beruf, Gespenster zu töten, und du wärst ein echter Ghostbuster oder so was.«
    »Ich bin kein Ghostbuster.«
    »Was machst du dann hier?«
    »Ich habe mit Anna gesprochen.«
    »Du hast mit ihr gesprochen? Sie hat Mike umgebracht und hätte auch dich töten können.«
    »Nein, das konnte sie nicht.« Ich blicke zum Haus und fühle mich seltsam, weil ich so nahe an ihrem Zuhause über sie rede. Es kommt mir falsch vor.
    »Was hast du denn mit ihr besprochen?«, bohrt Carmel.
    »Bist du immer so neugierig?«
    »Oh, war es etwas Persönliches?«, schnaubt sie.
    »Vielleicht war es das.« Ich will hier weg. Ich will das Auto zu meiner Mom zurückbringen und mich von Carmel zu Thomas fahren lassen, um ihn zu wecken. Ich will ihm die Matratze unter dem Arsch wegreißen. Es wäre bestimmt ein lustiger Anblick, wie er auf den Sprungfedern hüpft. »Hör mal, lass uns hier verschwinden, ja? Folge mir bis zu mir nach Hause, und dann fahren wir mit deinem Auto zu Thomas. Ich verspreche dir, dass ich dir alles erkläre«, füge ich hinzu, als sie mich skeptisch ansieht.
    »Na gut«, sagt sie.
    »Noch etwas,

Weitere Kostenlose Bücher