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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendare Blake
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Carmel.«
    »Ja?«
    »Nenn mich nie wieder einen Ghostbuster.« Sie lächelt, und ich lächle zurück. »Nur damit das klar ist.«
    Sie geht an mir vorbei zu ihrem Auto. Ich halte sie am Arm fest.
    »Du hast doch hoffentlich niemandem erzählt, was Thomas gesagt hat, oder?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Nicht einmal Natalie oder Katie?«
    »Nat weiß nur, dass ich mich mit dir treffe, damit sie mich deckt, falls meine Eltern sie anrufen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich bei Natalie schlafe.«
    »Hast du ihr einen Grund genannt, warum wir uns treffen?«, frage ich. Sie scheint mir die Frage übel zu nehmen. Anscheinend trifft Carmel Jones sich ausschließlich zu romantischen Zwecken heimlich in der
Nacht mit Jungs. Ich fahre mir mit den Fingern durch die Haare.
    »Soll ich jetzt etwas für die anderen in der Schule erfinden? Dass wir rumgeknutscht hätten oder so?« Ich glaube, ich blinzele ein bisschen zu oft. Außerdem lasse ich die Schultern hängen und komme mir vor, als wäre ich zwanzig Zentimeter kleiner als sie. Sie starrt mich amüsiert an.
    »Du bist nicht sehr gut in solchen Dingen, was?«
    »Ich hatte nicht viel Übung, Carmel.«
    Sie lacht. Verdammt, ist sie hübsch. Kein Wunder, dass Thomas alles ausgeplaudert hat. Ein einziger Wimpernschlag hat ihn vermutlich umgehauen.
    »Keine Sorge«, sagt sie. »Ich erfinde etwas. Ich erzähle allen, wie gut du küssen kannst.«
    »Du musst mir keinen Gefallen tun. Okay, fahr mir einfach hinterher, ja?«
    Sie nickt und steigt in ihr Auto. Als ich in meinem sitze, würde ich am liebsten den Kopf auf das Lenkrad pressen, bis die Hupe ertönt. Der Lärm würde meine Schreie übertönen. Warum ist mein Job nur so schwierig? Liegt es an Anna? Oder ist es etwas anderes? Warum schaffe ich es diesmal nicht, alle anderen Leute herauszuhalten? So kompliziert war es noch nie. Früher haben mir die Leute jede billige Geschichte abgekauft, weil sie im Grunde ihres Herzens die Wahrheit gar nicht so genau wissen wollten. Wie Chase und Will. Sie haben Thomas’ Märchen anstandslos geschluckt.
    Aber dazu ist es jetzt zu spät. Thomas und Carmel
sind mit von der Partie, und diese Sache ist erheblich gefährlicher als alles, was ich bisher erlebt habe.
     
    »Warum wohnt Thomas eigentlich nicht bei seinen Eltern?«
    »Sie sind bei einem Autounfall gestorben«, antwortet Carmel. »Ein betrunkener Fahrer ist auf die Gegenfahrbahn geraten. Das erzählen sich jedenfalls die Leute in der Schule.« Sie zuckt mit den Achseln. »Ich glaube, seitdem wohnt er bei seinem Opa. Bei diesem verrückten alten Kerl.«
    »Gut.« Ich klopfe an. Es ist mir egal, ob ich Morfran wecke. Der rüstige alte Knabe kann etwas Aufregung vertragen. Nach dem dreizehnten sehr lauten und nachdrücklichen Klopfen geht die Tür auf, und Thomas steht in einem äußerst unvorteilhaften grünen Bademantel vor uns.
    Außerdem hat er einen Frosch im Hals. »Cas?«, flüstert er. Ich muss lächeln. Es ist schwer, auf ihn wütend zu sein, wenn er wie ein zu groß geratener Vierjähriger aussieht. Die Haare stehen an einer Seite zu Berge, und die Brille sitzt schief auf der Nase. Als ihm bewusst wird, dass Carmel neben mir steht, beginnt er zu sabbern und streicht sich die Haare glatt. Ohne Erfolg. »Äh, was wollt ihr denn hier?«
    »Carmel ist mir zu Annas Haus gefolgt«, sage ich grinsend. »Willst du mir vielleicht den Grund dafür erklären?« Er errötet. Ich weiß nicht, ob er Schuldgefühle hat, oder ob es eher daran liegt, dass Carmel ihn im Schlafanzug sieht. Wie auch immer, er macht uns
Platz und führt uns durch den schwach beleuchteten Flur in die Küche.
    Das ganze Haus riecht nach Morfrans Kräuterpfeife. Dann sehe ich ihn selbst, eine wuchtige, gebeugte Gestalt, die gerade Kaffee eingießt. Er gibt mir einen Becher, ehe ich überhaupt etwas sagen kann. Schließlich brummt er irgendetwas und verlässt die Küche.
    Thomas hat sich unterdessen halbwegs beruhigt und starrt Carmel an.
    »Sie wollte dich umbringen«, platzt er mit weit aufgerissenen Augen heraus. »Du denkst die ganze Zeit daran, wie sie dir die Finger in den Bauch bohren wollte.«
    Carmel blinzelt. »Woher weißt du das?«
    »Du solltest das nicht tun«, warne ich Thomas. »Die Menschen fühlen sich nicht wohl, wenn du so in ihre Intimsphäre eindringst.«
    »Ich weiß«, räumt er ein. »Ich kann es auch nicht sehr oft«, erklärt er anschließend Carmel. »Normalerweise nur, wenn die Menschen sehr starke oder gewalttätige Gedanken haben oder

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