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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendare Blake
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beschäftigt ihn. Außerdem ist seine Kleidung lange nicht mehr so verknittert wie früher und sieht auch sauberer aus. Die Sachen passen sogar
zusammen. Anscheinend wirft er sich für Carmel in Schale.
    »Hast du etwa Gel im Haar?«, necke ich ihn.
    »Wie kannst du nur so fröhlich sein?«, antwortet er. »Hast du nicht die Nachrichten gesehen?«
    »Was meinst du damit?« Ich habe beschlossen, den Unschuldigen zu spielen. Oder den Ahnungslosen. Oder beides.
    »Die Nachrichten«, zischelt er und spricht leise weiter. »Der Kerl im Park. Die Verstümmelungen.« Er sieht sich um, aber wie üblich achtet niemand auf ihn.
    »Du denkst, es sei Anna gewesen«, stelle ich fest.
    »Du etwa nicht?«, flüstert mir jemand ins Ohr.
    Ich fahre herum. Carmel steht direkt hinter mir. Dann tritt sie neben Thomas, und an der Art und Weise, wie die beiden mich ansehen, erkenne ich, dass sie schon ausführlich darüber gesprochen haben. Ich fühle mich angegriffen und etwas verletzt. Sie haben mich ausgeschlossen. Dabei komme ich mir vor wie ein quengeliges Kind, was mich erst recht wütend macht.
    Carmel fährt fort: »Du kannst doch nicht bestreiten, dass es ein extremer Zufall ist.«
    »Das bestreite ich nicht. Aber es ist ein Zufall. Sie hat es nicht getan.«
    »Woher weißt du das?«, fragen sie wie aus einem Munde. Ist das nicht allerliebst?
    »Hallo, Carmel.«
    Das Gespräch bricht abrupt ab, als Katie mit einem Schwarm Mädchen auftaucht. Ein paar kenne ich nicht, aber zwei oder drei besuchen die gleichen Kurse
wie ich. Eine von ihnen, eine zierliche Brünette mit welligem Haar und Sommersprossen, strahlt mich an. Thomas würdigen sie keines Blickes.
    »Hallo, Katie«, antwortet Carmel kühl. »Was liegt an?«
    »Willst du immer noch beim Winterfest helfen, oder sind Sarah, Nat, Casey und ich auf uns selbst gestellt?«
    »Was meinst du mit ›helfen‹? Ich bin die Vorsitzende des Festausschusses.« Carmel sieht die Mädchen verdutzt an.
    »Na ja.« Katie wirft mir einen Blick zu. »Das war, bevor du so viel zu tun hattest.«
    Ich glaube, Thomas würde genau wie ich am liebsten im Boden versinken. Das hier ist sogar noch unangenehmer, als über Anna zu reden. Aber Carmel ist ein Faktor, mit dem man rechnen muss.
    »Ah, Katie, planst du da eine kleine Machtübernahme?«
    Katie blinzelt. »Was? Was meinst du damit? Ich hab doch nur gefragt.«
    »Dann kann ich dich beruhigen. Der Tanzabend ist erst in drei Monaten. Wir treffen uns am Samstag.« Sie dreht sich weg, als wollte sie eine Untertanin entlassen.
    Katie lächelt verlegen, stottert ein wenig und sagt Carmel sogar, was für einen hübschen Pullover sie trägt, ehe sie sich trollt.
    »Und jede macht bitte zwei Vorschläge, um Spenden zu sammeln!«, ruft Carmel ihnen hinterher. Dann wendet sie sich wieder an uns und zuckt entschuldigend mit den Achseln.
    »Oh Mann«, schnauft Thomas. »Mädchen sind verdammte Biester.«
    Carmel reißt die Augen weit auf, dann grinst sie. »Natürlich sind wir das. Aber lass dich nicht davon ablenken.« Sie konzentriert sich wieder auf mich. »Sag uns, was passiert ist. Woher weißt du, dass es nicht Anna war?«
    Auf einmal wünsche ich mir, Katie wäre noch etwas länger geblieben.
    »Ich weiß es, weil ich sie besucht habe«, antworte ich.
    Die beiden wechseln altkluge Blicke, sie halten mich für leichtgläubig. Vielleicht bin ich das tatsächlich, denn es ist wirklich ein unglaublicher Zufall. Trotzdem, ich hatte den größten Teil meines Lebens mit Geistern zu tun, also sollten sie mir doch wenigstens ein Stück weit vertrauen.
    »Wie kannst du da so sicher sein?«, fragt Thomas. »Dürfen wir in dieser Hinsicht auch nur das kleinste Risiko eingehen? Ich weiß, ihr ist etwas Schreckliches passiert, aber sie hat selbst verdammt schreckliche Dinge getan, und vielleicht sollten wir sie einfach … wegschicken. Dorthin, wo du die anderen hinschickst. Vielleicht wäre das für alle besser.«
    Es beeindruckt mich, dass Thomas so etwas sagt, auch wenn ich ihm nicht zustimme. Doch das Gesprächsthema verunsichert ihn. Er tritt von einem Fuß auf den anderen und schiebt sich die Brille mit dem schwarzen Rahmen auf der Nase hoch.
    »Nein«, antworte ich nur.
    »Cas«, setzt Carmel an. »Du kannst nicht sicher sein, dass sie niemandem mehr etwas tun wird. Sie tötet seit über fünfzig Jahren Menschen. Es war nicht ihre Schuld, aber vermutlich ist es nicht so einfach, jetzt auf Entzug zu gehen.«
    Das klingt, als redete sie über einen Wolf, der

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