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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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so fremd gegenüberstehen wie bisher immer, und Streitigkeiten werden
    nicht mehr vorkommen; mit Kitty werde ich mich nie mehr veruneinigen; gegen den Gast, wer es auch sein mag, werde
    ich gut und freundlich sein; auch gegen die Leute, gegen Iwan; es wird jetzt alles ein anderes Wesen haben.‹
    Während er mit straffen Zügeln das ungeduldig schnaubende und nach einer schnelleren Gangart verlangende brave
    Pferd zurückhielt, blickte Ljewin nach dem neben ihm sitzenden Iwan hin, der nicht wußte, was er mit seinen nun
    unbeschäftigten Händen anfangen sollte, und der fortwährend sein sich aufbauschendes Hemd an die Brust drückte, und
    suchte nach einem Anlaß, ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen. Er wollte sagen, daß Iwan den Deichselriemen nicht hätte
    so hoch zu ziehen brauchen; aber das hätte wie ein Vorwurf geklungen, und er wünschte doch gerade ein
    freundschaftliches Gespräch. Etwas anderes aber wollte ihm nicht einfallen.
    »Bitte, halten Sie nach rechts; da ist ein Baumstrunk«, sagte der Kutscher und verbesserte zugreifend Ljewins
    Zügelführung.
    »Sei so gut, nicht anzufassen und mich nicht zu belehren!« erwiderte Ljewin, der sich über diese Einmischung des
    Kutschers nicht wenig ärgerte. Geradeso wie sonst immer brachte ihn auch jetzt diese Einmischung in Harnisch, und
    er merkte sofort zu seinem Leidwesen, wie irrig seine Annahme gewesen sei, daß durch seine Seelenstimmung bei der
    Berührung mit der Außenwelt in seinem Verhalten sofort eine Änderung werde herbeigeführt werden.
    Als er etwa noch eine Viertelwerst von seinem Hause entfernt war, erblickte er Grigori und Tanja, die ihm
    entgegengelaufen kamen.
    »Onkel Konstantin! Mama kommt auch, und Großpapa, und Sergei Iwanowitsch, und noch jemand«, berichteten sie ihm,
    während sie auf den Wagen kletterten.
    »Wer ist es denn?«
    »Ganz schrecklich sieht er aus! Und er macht immer so mit den Armen«, sagte Tanja, indem sie sich im Wagen
    aufrichtete und Katawasows Gesten nachahmte.
    »Ist er alt oder jung?« fragte lachend Ljewin, den Tanjas schauspielerische Leistung an jemand erinnerte.
    ›Nun, wenn es nur kein unangenehmer Mensch ist!‹ dachte er.
    Kaum war er um eine Biegung des Weges herumgefahren und hatte die ihm Entgegenkommenden erblickt, als er auch
    schon Katawasow mit seinem Strohhute erkannte, und wirklich bewegte der Professor im Gehen seine Arme geradeso, wie
    Tanja es nachgemacht hatte.
    Katawasow sprach mit besonderer Vorliebe über Philosophie, obwohl er seine Kenntnisse auf diesem Gebiet nur
    anderen Naturforschern verdankte, die sich gleichfalls nie mit Philosophie beschäftigt hatten, und in Moskau hatte
    Ljewin in der letzten Zeit viel mit ihm gesprochen.
    Und eine derartige Auseinandersetzung, bei der Katawasow offenbar geglaubt hatte, den Sieg davongetragen zu
    haben, war das erste, woran sich Ljewin bei seinem Anblick erinnerte.
    ›Nein‹, dachte er, ›unter keinen Umständen werde ich künftig wieder mit ihm streiten und meine Gedanken ohne
    genaue Überlegung vorbringen.‹
    Als Ljewin aus dem Wagen gestiegen war und seinen Bruder und Katawasow begrüßt hatte, erkundigte er sich nach
    seiner Frau.
    »Sie hat den kleinen Dmitri in den Hain gebracht«, sagte Dolly (mit dem Ausdruck »der Hain« wurde ein einzeln
    stehendes Wäldchen nicht weit vom Hause bezeichnet). »Sie meinte, da wäre es für ihn am besten; denn im Hause ist
    es gar zu heiß.« Ljewin hatte seiner Frau immer davon abgeraten, das Kind in den Wald zu bringen, weil er es für
    gefährlich hielt; so berührte ihn denn diese Nachricht unangenehm.
    »Sie schleppt ihn immer von einem Ort zum andern umher«, sagte der Fürst lächelnd. »Ich habe ihr geraten, ihn
    versuchsweise einmal in den Eiskeller zu tragen.«
    »Sie wollte dann nach dem Bienengarten gehen; sie dachte, daß du dort wärst. Wir waren auch gerade auf dem Wege
    dahin«, sagte Dolly.
    »Nun, was treibst du denn jetzt?« fragte Sergei Iwanowitsch, der hinter den anderen ein wenig zurückgeblieben
    war und nun neben seinem Bruder herging.
    »Nichts Besonderes. Ich beschäftige mich wie immer mit der Wirtschaft«, antwortete Ljewin. »Nun, und du? Du
    bleibst doch hoffentlich längere Zeit hier? Wir haben dich schon lange erwartet.«
    »Etwa vierzehn Tage möchte ich bleiben. Ich habe in Moskau sehr viel zu tun.«
    Bei diesen Worten begegneten sich die Blicke der beiden Brüder, und trotz seines steten und gerade jetzt
    besonders lebhaften Wunsches nach einem

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