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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Moskau hatte Ljewin in der letzten Zeit viel mit ihm gesprochen.
     
    Und eine derartige Auseinandersetzung, bei der Katawasow offenbar geglaubt hatte, den Sieg davongetragen zu haben, war das erste, woran sich Ljewin bei seinem Anblick erinnerte.
     
    ›Nein‹, dachte er, ›unter keinen Umständen werde ich künftig wieder mit ihm streiten und meine Gedanken ohne genaue Überlegung vorbringen.‹
     
    Als Ljewin aus dem Wagen gestiegen war und seinen Bruder und Katawasow begrüßt hatte, erkundigte er sich nach seiner Frau.
     
    »Sie hat den kleinen Dmitri in den Hain gebracht«, sagte Dolly (mit dem Ausdruck »der Hain« wurde ein einzeln stehendes Wäldchen nicht weit vom Hause bezeichnet). »Sie meinte, da wäre es für ihn am besten; denn im Hause ist es gar zu heiß.« Ljewin hatte seiner Frau immer davon abgeraten, das Kind in den Wald zu bringen, weil er es für gefährlich hielt; so berührte ihn denn diese Nachricht unangenehm.
     
    »Sie schleppt ihn immer von einem Ort zum andern umher«, sagte der Fürst lächelnd. »Ich habe ihr geraten, ihn versuchsweise einmal in den Eiskeller zu tragen.«
     
    »Sie wollte dann nach dem Bienengarten gehen; sie dachte, daß du dort wärst. Wir waren auch gerade auf dem Wege dahin«, sagte Dolly.
     
    »Nun, was treibst du denn jetzt?« fragte Sergei Iwanowitsch, der hinter den anderen ein wenig zurückgeblieben war und nun neben seinem Bruder herging.
     
    »Nichts Besonderes. Ich beschäftige mich wie immer mit der Wirtschaft«, antwortete Ljewin. »Nun, und du? Du bleibst doch hoffentlich längere Zeit hier? Wir haben dich schon lange erwartet.«
     
    »Etwa vierzehn Tage möchte ich bleiben. Ich habe in Moskau sehr viel zu tun.«
     
    Bei diesen Worten begegneten sich die Blicke der beiden Brüder, und trotz seines steten und gerade jetzt besonders lebhaften Wunsches nach einem freundschaftlichen und namentlich ungezwungenen Verhältnis zu seinem Bruder fühlte Ljewin, daß es ihm unbehaglich war, ihn anzusehen. Er schlug die Augen nie der und wußte nicht, was er sagen sollte.
     
    Er suchte nach einem Gesprächsstoff, der seinem Bruder angenehm wäre und ihn von den Erörterungen über den serbischen Krieg und die slawische Frage ablenken könnte, auf die er hingedeutet hatte, als er seine vielen Geschäfte in Moskau erwähnte. Endlich begann er von Sergei Iwanowitschs Buch zu reden.
     
    »Nun, wie steht es? Sind Besprechungen deines Buches erschienen?« fragte er.
     
    Sergei Iwanowitsch lächelte über die Absichtlichkeit der Frage.
     
    »Niemand beschäftigt sich jetzt mit diesem Gegenstand, und ich noch weniger als alle anderen«, erwiderte er. »Sehen Sie einmal dahin, Darja Alexandrowna, wir werden Regen bekommen«, fügte er hinzu und zeigte mit dem Schirm nach einigen weißen Wolken, die über den Wipfeln der Espen sichtbar wurden.
     
    Und diese Worte genügten, um jenes zwar nicht feindselige, aber doch kühle wechselseitige Verhältnis zwischen den Brüdern, das Ljewin so lebhaft zu vermeiden wünschte, wieder hervorzurufen.
     
    Ljewin trat zu Katawasow heran.
     
    »Das war ein guter Gedanke von Ihnen, uns zu besuchen«, sagte er zu ihm.
     
    »Ich hatte es schon lange vor. Nun wollen wir aber einmal ordentlich miteinander disputieren; passen Sie mal auf. Haben Sie Spencer gelesen?«
     
    »Nein, ich bin damit nicht bis zu Ende gekommen«, antwortete Ljewin. »Übrigens bedarf ich seiner jetzt nicht.«
     
    »Wieso? Das ist mir interessant zu hören. Weshalb denn nicht?«
     
    »Ich bin nämlich zu der endgültigen Überzeugung gelangt, daß ich die Lösung der Fragen, die mich beschäftigen, bei ihm und seinesgleichen doch nicht finden werde. Jetzt ...«
     
    Aber auf einmal wurde er auf Katawasows ruhigen, vergnügten Gesichtsausdruck aufmerksam; auch um seine eigene gute Stimmung war es ihm leid, die er sich durch dieses Gespräch sicherlich verderben würde. So brach er denn, des vorhin gefaßten Vorsatzes eingedenk, ab.
     
    »Aber davon wollen wir später sprechen«, fügte er hinzu. »Wenn wir nach dem Bienengarten gehen wollen, müssen wir hier gehen, diesen Fußweg«, sagte er, zu allen gewendet.
     
    Als sie auf dem schmalen Fußpfade zu einer ungemähten Waldwiese gelangt waren, die an der einen Seite dicht mit hellen Stiefmütterchen bedeckt war, zwischen denen vielfach hohe, dunkle Büsche von Nieswurz hervorwuchsen, ließ Ljewin seine Gäste in dem dichten, frischen Schatten der jungen Espen auf einer Bank und auf Holzklötzen

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