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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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gleichmäßig und trat sie fest. Die
    junge Frau verrichtete ihre Arbeit leicht, munter und behende. Das Heu, das sich durch das Liegen zu einer festen
    Masse zusammengepreßt hatte, ließ sich nicht so ohne weiteres auf die Gabel nehmen. Sie lockerte es zuerst, schob
    die Gabel hinein, legte sich dann mit einer elastischen, schnellen Bewegung und mit dem ganzen Gewichte ihres
    Körpers auf den Stiel der Gabel, richtete sich sofort, den von einem roten Gürtel umspannten Rücken zurückbiegend,
    wieder in die Höhe, und indem sie die volle Brust unter dem weißen Latze stark nach vorn drückte, faßte sie mit
    geschicktem Griffe die Gabel anders und schwang den Heuballen hoch nach der Fuhre hinauf. Eilig, da er sich
    offenbar bemühte, seinem Weibe jeden Augenblick unnötiger Mühe zu ersparen, ergriff Iwan mit weit ausgebreiteten
    Armen das ihm hingehaltene Heu und legte es auf der Fuhre zurecht. Nachdem die junge Frau das letzte Heu mit der
    Harke hinaufgereicht hatte, schüttelte sie den Grus, der ihr in den Nacken gefallen war, ab, rückte das rote Tuch
    zurecht, das sich über der weißen, von der Sonne nicht verbrannten Stirn verschoben hatte, und kroch unter den
    Wagen, um die Ladung festzubinden. Iwan gab ihr von oben Anweisung, wie sie den Strick am Langbaum anbinden müsse,
    und lachte laut über etwas, was sie sagte. In dem Ausdruck der beiden Gesichter war eine kräftige, junge, erst vor
    kurzem erwachte Liebe deutlich zu erkennen.

12
    Die Ladung war festgeschnürt. Iwan sprang herunter und führte das tüchtige, wohlgenährte Pferd am Zügel. Die
    junge Frau warf die Harke oben auf die Fuhre hinauf und ging, rüstig ausschreitend und mit den Armen schlenkernd,
    zu den andern Weibern hin, die sich versammelten, um ihr Reigenlied zu singen. Iwan fuhr von der Wiese auf den Weg
    und rückte in die Reihe der übrigen Heuwagen ein. Die Weiber, mit den Harken auf der Schulter, in hell leuchtenden,
    bunten Kleidern, gingen hinter den Wagen her und schwatzten laut und lustig miteinander. Eine derbe, naturwüchsige
    Weiberstimme stimmte das Lied an und sang eine Strophe vor; dann fielen auf einmal gleichzeitig etwa fünfzig
    verschiedene, teils derbe, teils feine, gesunde Stimmen ein und sangen dasselbe Lied noch einmal von Anfang.
    Die singenden Weiber kamen Ljewin näher, und er hatte eine Empfindung, als ob eine dichte Wolke von laut
    schallender Fröhlichkeit sich auf ihn zu bewege. Die Wolke erreichte ihn und umfing ihn, und der Heuhaufen, auf dem
    er lag, und die anderen Heuhaufen und die Fuhren und die ganze Wiese mitsamt den fernen Feldern, alles drehte und
    wiegte sich im Takte dieses kunstlosen, ausgelassen lustigen Liedes, das von Schreien, Pfeifen und Jauchzen
    begleitet wurde. In Ljewin regte sich ordentlich der Neid auf diese gesunde Fröhlichkeit, und er hätte sich am
    liebsten an diesem Ausbruche von Lebenslust mit beteiligt. Aber das ging selbstverständlich nicht, und er mußte da
    liegenbleiben und sich darauf beschränken, zuzusehen und zuzuhören. Als das singende Völkchen so weit weg war, daß
    er es nicht mehr sah und nicht mehr hörte, da überkam ihn ein drückendes Gefühl des Grames über sein einsames
    Dasein, über seine körperliche Untätigkeit und über die feindselige Stellung, die er dieser Welt gegenüber
    einnahm.
    Einige Bauern gerade von denen, die am allerhartnäckigsten mit ihm um das Heu gestritten hatten, also Leute, die
    nach ihrer Behauptung von ihm benachteiligt worden waren oder vielmehr ihn hatten betrügen wollen – ebendiese
    Bauern grüßten ihn jetzt ganz vergnügt; sie hegten offenbar keinen Groll gegen ihn (wozu sie ja auch eigentlich
    keinen Anlaß hatten), verspürten aber augenscheinlich auch keine Reue, ja, sie hatten sichtlich überhaupt keine
    Erinnerung mehr daran, daß sie ihn hatten betrügen wollen. All das war in dem Meere der frohen, gemeinsamen Arbeit
    untergegangen. Gott hatte den Tag gegeben, Gott hatte die Kräfte gegeben; und den Tag und die Kräfte hatten sie der
    Arbeit gewidmet und in der Arbeit selbst ihren Lohn gefunden. Für wen die Arbeit stattfand, welches die Früchte der
    Arbeit sein würden, das war Nebensache, das war von keiner Bedeutung.
    Ljewin hatte oft mit Bewunderung auf dieses Leben hingeblickt und oft ein Gefühl des Neides gegen die Menschen
    empfunden, die dieses Leben führten; aber heute zum ersten Male, namentlich auch unter dem Eindruck, den Iwan
    Parmenows hübsches Verhältnis zu seiner Frau auf ihn gemacht hatte,

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