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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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niederzukämpfen. »Aber wenn du wüßtest,
    wie schwer mir ums Herz ist! ... Ich glaube dir ja, ich glaube dir ... Also was wolltest du sagen?«
    Aber er konnte sich nicht sogleich erinnern, was er hatte sagen wollen. Diese Anfälle von Eifersucht, die sich
    in der letzten Zeit immer häufiger bei ihr wiederholten, erschreckten ihn und machten, wie sehr er dies auch zu
    verbergen suchte, sein Gefühl ihr gegenüber kälter, obschon er wußte, daß die Ursache dieser Eifersucht lediglich
    ihre Liebe zu ihm war. Wie oft sagte er sich, daß sein Glück darin bestehe, von ihr geliebt zu werden; und nun
    liebte sie ihn mit aller Kraft, mit der ein Weib nur lieben konnte, dem die Liebe höher stand als alle Güter des
    Lebens – und doch war er jetzt viel weiter davon entfernt, sich glücklich zu fühlen, als damals, wo er ihr aus
    Moskau nachgereist war. Damals hatte er sich für unglücklich gehalten und sein Glück von der Zukunft erwartet; aber
    jetzt fühlte er, daß das schönste Glück bereits hinter ihm lag. Sie war ganz und gar nicht mehr so, wie er sie in
    der ersten Zeit gesehen hatte. Seelisch und körperlich hatte sie sich zu ihrem Nachteil verändert. Ihre ganze Figur
    hatte sich verbreitert, und auf ihrem Gesichte lag, als sie von der Schauspielerin sprach, ein böser Ausdruck, der
    es unangenehm entstellte. Er betrachtete sie, wie jemand eine Blume betrachtet, die er gepflückt hat, und die nun
    verwelkt, so daß er nur mit Mühe an ihr die Schönheit wiedererkennt, um derentwillen er sie gepflückt und zugrunde
    gerichtet hat. Und trotzdem fühlte er, daß er damals, als seine Liebe stärker war, imstande gewesen wäre, wenn er
    es ernstlich gewollt hätte, diese Liebe aus seinem Herzen herauszureißen; aber jetzt, wo er, wie in diesem
    Augenblicke, keine Liebe zu ihr zu empfinden meinte, war er sich bewußt, daß das Band, das ihn an sie knüpfte, nie
    zerreißen konnte.
    »Nun also, was wolltest du mir von dem Prinzen erzählen? Ich habe den Teufel ausgetrieben, gewiß, ich habe ihn
    ausgetrieben«, fügte sie hinzu. »Teufel« war im Verkehr zwischen ihnen die Bezeichnung der Eifersucht. »Ja, also
    was fingst du an, von dem Prinzen zu erzählen? Warum ist dir denn die Sache so widerwärtig gewesen?«
    »Ach, es war geradezu unerträglich!« antwortete er und bemühte sich, den verlorenen Gedankenfaden
    wiederzufinden. »Er gewinnt nicht bei näherer Bekanntschaft. Wenn ich dir einen Begriff von ihm geben soll: er ist
    ein vortrefflich gefüttertes Stück Vieh, wie sie auf den Ausstellungen die ersten Preise bekommen, weiter nichts«,
    sagte er in einem ärgerlichen Tone, durch den ihre Aufmerksamkeit erregt wurde.
    »Aber wie kann das nur sein?« erwiderte sie. »Er hat doch vieles gesehen und ist ein gebildeter Mensch?«
    »Das ist eine ganz andere Art von Bildung, die Bildung solcher Leute. Auch was er von Bildung besitzt, hat er
    sich offenbar nur deshalb angeeignet, um ein Recht zu haben, die Bildung gering zu schätzen, wie denn diese Leute
    alles gering schätzen, mit Ausnahme der sinnlichen Vergnügungen.«
    »Aber ihr alle liebt ja diese sinnlichen Vergnügungen«, sagte sie, und wieder bemerkte er ihren finsteren Blick,
    der es vermied, sich auf ihn zu richten.
    »Warum verteidigst du ihn denn so?« fragte er lächelnd.
    »Ich verteidige ihn nicht; er ist mir vollständig gleichgültig. Aber ich meine, wenn du nicht selbst diese
    Vergnügungen liebtest, so hättest du ja den Auftrag ablehnen können. Aber es macht dir Vergnügen, diese Therese im
    Evagewande zu sehen ...«
    »Da ist der Teufel doch wieder«, sagte Wronski, ergriff ihre auf dem Tische liegende Hand und küßte sie.
    »Ja, aber ich kann mich nicht zwingen! Du weißt nicht, welche Pein ich ausgestanden habe, während ich auf dich
    wartete! Ich meine, daß ich nicht eifersüchtig bin. Ich bin nicht eifersüchtig; ich vertraue dir, wenn du hier
    bist, bei mir bist; aber wenn du irgendwo anders allein dein mir unverständliches Leben führst ...«
    Sie bog sich von ihm weg, machte endlich den Häkelhaken aus der Arbeit los, und schnell bildete sich nun mit
    Hilfe des Zeigefingers Masche auf Masche aus der weißen, im Lampenlichte schimmernden Wolle, und schnell und nervös
    drehte sich das feine Handgelenk in der gestickten Manschette hin und her.
    »Nun, und wie war es denn damit? Wo bist du mit Alexei Alexandrowitsch zusammengestoßen?« fragte sie auf einmal
    mit unnatürlich klingender Stimme.
    »Wir trafen in der Tür

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