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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Stiefel, der voll Wasser gelaufen war, hatte ein tüchtiges Gewicht bekommen und verursachte ein
    schmatzendes Geräusch; über sein vom Pulverdampf beschmutzes Gesicht flossen die Schweißtropfen herab; im Munde
    hatte er einen bitteren Geschmack, in der Nase den Geruch von Schießpulver und von Moorerde, in den Ohren den
    unaufhörlichen Ton des Schmatzens der Bekassinen; die Flintenläufe waren nicht mehr zum Anrühren, so heiß waren sie
    geworden; sein Herz klopfte mit schnellen, kurzen Schlägen; die Hände zitterten ihm vor Erregung; die müden Beine
    stolperten über die Erdhöcker und schleppten sich nur mühsam durch den Schlamm. Aber trotzdem ging er weiter und
    fuhr fort zu schießen. Endlich, nachdem er wieder einen schmählichen Fehlschuß getan hatte, warf er seine Flinte
    und seinen Hut auf den Boden.
    ›Nein, ich muß erst wieder zur Ruhe kommen!‹ sagte er zu sich selbst. Er hob Flinte und Hut auf, rief Laska
    dicht zu sich heran und ging aus dem Sumpf heraus. Als er aufs Trockene gelangt war, setzte er sich auf eine kleine
    Erhöhung, zog sich den Stiefel aus und goß das Wasser aus; dann ging er wieder an den Sumpf, trank ein paar
    Schlucke von dem moorig schmeckenden Wasser, benetzte die heiß gewordenen Läufe seiner Flinte und wusch sich
    Gesicht und Hände. Nachdem er sich so erfrischt hatte, ging er wieder nach einer Stelle, wo er soeben eine
    Bekassine sich hatte setzen gesehen, mit der festen Absicht, nicht wieder hitzig zu werden.
    Er wollte ruhig sein; aber es war dieselbe Geschichte wie zuvor. Sein Finger drückte auf den Abzug, bevor er
    noch ordentlich auf den Vogel gezielt hatte. Es ging immer schlechter und schlechter.
    Er hatte nur fünf Stück in der Jagdtasche, als er den Sumpf verließ und zu dem Erlenwäldchen ging, wo er mit
    Stepan Arkadjewitsch wieder zusammentreffen sollte.
    Noch ehe er Stepan Arkadjewitsch sah, erblickte er dessen Hund. Unter dem von Erde entblößten Wurzelwerk einer
    Erle hervor kam Crack angesprungen, ganz schwarz von übelriechendem Sumpfschlamm, und beschnüffelte Laska mit
    Siegermiene. Hinter Crack zeigte sich im Schatten der Erlen auch Stepan Arkadjewitschs stattliche Gestalt. Mit
    rotem Gesicht, schweißbedeckt, mit aufgeknöpftem Kragen, immer hinkend, kam er auf Ljewin zu.
    »Nun, wie steht's? Ihr habt ja so oft geschossen!« sagte er fröhlich lächelnd.
    »Und du?« fragte Ljewin. Aber die Frage war unnötig; denn er sah schon die gefüllte Jagdtasche.
    »Nun, es geht an.«
    Er hatte vierzehn Stück.
    »Ein prächtiger Sumpf! Dir ist gewiß Weslowskis Begleitung hinderlich gewesen. Zwei Jäger mit einem Hunde, das
    ist immer eine mißliche Sache«, sagte Stepan Arkadjewitsch, um seinen Triumph etwas herabzumindern.
Fußnoten
    1 (frz.) Was sagen sie?
    2 (frz.) Gehen wir, das ist reizend.

11
    Als Ljewin und Stepan Arkadjewitsch zu dem Häuschen des Bauern kamen, bei dem Ljewin immer zu rasten pflegte,
    war Weslowski schon dort. Er saß mitten in der Stube, hielt sich mit beiden Händen an einer Bank fest, von der ihn
    ein Soldat, ein Bruder der Hausfrau, an den schlammbedeckten Stiefeln herunterzuziehen versuchte, und lachte mit
    seinem fröhlichen Lachen, das für die Hörer immer etwas Ansteckendes hatte.
    »Ich bin eben erst gekommen. Ils ont été charmants. 1 Denken Sie sich nur: sie haben mir zu essen und zu trinken gegeben. Und das Brot war
    geradezu wundervoll! Délicieux! 2 Und ein Schnaps! –
    ich habe in meinem Leben keinen besseren getrunken. Und Geld wollten sie absolut nicht annehmen. Immer sagten sie:
    ›Nimm fürlieb!‹«
    »Wie werden sie denn Geld nehmen? Wo Sie doch ihr Gast waren. Zu verkaufen haben sie doch keinen Branntwein«,
    sagte der Soldat, der endlich den durchnäßten Stiefel mitsamt dem schwarz gewordenen Strumpf herunterbekommen
    hatte.
    Trotz der Unsauberkeit des Zimmers, das durch die Stiefel der Jäger und durch die schmutzigen, sich beleckenden
    Hunde verunreinigt war, trotz des Sumpf- und Pulvergeruchs, mit dem es erfüllt war, und trotz des Fehlens von
    Messern und Gabeln tranken die Jäger ihren Tee und verzehrten ihr Abendbrot mit einem Appetit, wie man ihn nur auf
    der Jagd kennenlernt. Nachdem sie sich gewaschen und gesäubert hatten, begaben sie sich in die ausgefegte
    Heuscheune, wo die Kutscher Lagerstätten für die Herren zurechtgemacht hatten.
    Obgleich es schon dunkel war, hatte doch noch keiner der Jäger Lust zu schlafen.
    Nachdem das Gespräch sich eine Weile in Erinnerungen und

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