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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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wozu brauchen Sie den?«
    »Zum Baseballspielen«, sagt Anna. Eine Lüge. Aber diese Geschichte ist zu lang und kompliziert, um sie Eva Mauz zu erzählen. Sie hat mit einem mörderischen Polizisten und einem Engel zu tun. Er ist verschwunden, als ob es ihn nie gegeben hätte. Die Stadt ist voller Engel. Doch man begegnet ihnen nicht.

11. Kapitel
    Seine Eitelkeit begleitet ihn wie ein Schatten. Liebling weiß es und vergisst es manchmal. Eitelkeit verleitet zu Fehlern. Es tut ihm längst Leid, dass er der Autorin ein Interview zugesagt hat. Sie will ein Buch über die Europäische Union schreiben, die ganze Wahrheit und alle Lügen, die mit ihr einhergehen. Was soll er ihr sagen? Dass geniale Ideen von fehlbaren Menschen umgesetzt werden? Bürokratie und Korruption ein unvermeidliches Paar sind? Und dass es ihn doch immer wieder berührt, wie viele Nationen und Sprachen in diesem gläsernen Haus zu Formen der Kommunikation und des Kompromisses finden? Das friedliche Schlachtross Europa ist ein behäbiger Gaul, der von zu vielen gelenkt wird, als dass er seinen Weg ohne Fehltritte fände.
    Ja, das ist ein netter Satz, den wird er einbringen. Er sollte seinen Schreibtisch aufräumen, doch andererseits ist es jetzt zu spät für größere Taten. Wenn sie professionell ist, wird sie pünktlich sein. Zeit ist Honig. Bruno, sein Assistent, hat ihm zum Geburtstag eine silberne Sanduhr geschenkt. Der Sand ist goldfarben, und er rieselt beruhigend langsam, jedoch unerbittlich. Wollte Bruno ihn darauf hinweisen, dass Lieblings Zeit bald um ist? Dass Bruno im Besitz einer Diskette ist, die ihm goldene Türen öffnen wird? Nein. Nicht Dr. Bruno Laurenz: Er ist ein korrekter, gebildeter und loyaler Mann von begrenzter Phantasie. Einer, der blaue Krawatten zu grauen Anzügen trägt und nur um Nuancen von seiner Grundfarbe abweicht. Nicht der Typ, der seinen Chef aushebelt. Es gibt Menschen, die dazu geschaffen sind, im zweiten Glied zu stehen – und Bruno weiß hoffentlich, dass er auch in fünf Sprachen nur begrenzte Wirkung erzielt.
    Der herzförmige Fotorahmen, auch aus Silber, war Alicias Geburtstagsgeschenk. Seine langjährige Sekretärin, und er ist ihr wirklich dankbar, dass sie ihn in so dezenter Form an eine Affäre erinnert, die nicht zu seinen Ruhmestaten zählt. Ein Anfängerfehler, sich mit dem Personal einzulassen, und er hat es anschließend nicht übers Herz gebracht, ihr zu kündigen. Der gute Mensch macht Fehler und zieht keine Konsequenzen daraus. So hat er es damals gesehen, als er noch an das Gute in sich glaubte.
    Dreizehn Jahre ist das her, und sie haben beide geschwiegen, verdrängt, vergessen. Er hat vergessen, und Alicias Geschenke sind bisweilen anzüglich. Oder sie hat ein Faible für herzförmige Kleinkunst, die in dem Chaos, das er Büro nennt, ohnehin nicht sonderlich auffällt. Überall Papiere … das Parlament ist eine Tropenwaldvernichtungsmaschine. Und weil er nicht alles lesen kann, bewahrt er die Protokolle, Pressemitteilungen und Bekanntmachungen auf. Stapelweise.
    Er sollte endlich aufräumen und den herzförmigen Rahmen mit Annas Bild schmücken, nachdem er das Bild seiner Frau daraus entfernt hat. Frauen, die ihn verraten, verdienen kein Erbarmen. Andererseits gibt Anna ihm Rätsel auf: Sie ist entweder nicht erreichbar oder bemerkenswert kühl am Telefon. Er weiß ja, dass sie nicht gern telefoniert, doch die plötzliche Terminüberlastung, die ein Wiedersehen verhindert, mag er ihr nicht abnehmen. Anna ist eine lausige Detektivin mit überschaubarer Klientel. Wenn jemand wenig Zeit hat, dann ist er es. Und hat er es nicht immer geschafft, sich für Anna Zeit zu nehmen?
    Er hat ihr Rosen senden lassen, schon zweimal. Alicia, die die Verschickung in die Hand nahm, sah ihn spöttisch an. »Mal wieder verliebt?«, sagte sie und traf den gewissen Ton, der ausdrücken sollte, wie wenig seinen Gefühlen zu trauen war. Möglich, dass sie Recht hat, doch manchmal glaubt er, dass Annas weiße Arme sein Horizont sind. Zumindest, wenn er allein mit sich ist und seine Gesellschaft ihn anekelt oder zumindest langweilt. Er sollte ohne Ankündigung nach Berlin fliegen und Anna stellen. Oder ein Verhältnis mit der Autorin beginnen, die gleich da sein wird. Eins von beiden: Er wettet mit sich selbst, dass Berlin gewinnt, doch man muss auch dem Gegner eine Chance geben …
    Sie ist sehr blond, die Frau, die Alicia jetzt in sein Büro führt. Klein, blond, hübsch – und fast schon am Verblühen.

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