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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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der Frage stellen müssen, wie er auf das Foto mit Julia Mauz kam. Doch vorher will sie die Schwester befragen.
    Eva Mauz sitzt in dem Stuhl vor Annas Schreibtisch und studiert alte Fotografien. Die Lesebrille verändert ihr Gesicht, macht es klüger, sympathischer. Nur wenige Frauen können sich grünen Lidschatten leisten, und Eva Mauz gehört definitiv nicht dazu. Auch ihr Kostüm ist grün, waldfarben, Landhausstil. Die plumpen Finger mit den vielen Ringen halten jedes Foto lange fest. Sie ist in eine Vergangenheit zurückgekehrt, die nicht mehr zu verändern ist: Familie, die Brutstätte alles Bösen und Guten.
    Zu Annas Erstaunen weint Eva Mauz. Tränen auf zu viel Rouge, und Anna reicht ihr ein Taschentuch über den Schreibtisch. »Möchten Sie etwas trinken? Wasser? Tee?« Warum weinst du wegen ein paar alten Fotos? Sie beantwortet die ungestellte Frage selbst: Sentimentalität. Selbstmitleid. Der Trauer nahe, aber eben nicht ganz.
    Eva Mauz tupft sich mit dem Taschentuch Tränenspuren von den Wangen. »Wasser vielleicht. Ich glaube, ich werde noch verrückt. Ich muss immerzu an sie denken. Ich träume von Julia. Sie steht an einem Abgrund und streckt mir die Hand entgegen. Und ich will sie ergreifen und Julia festhalten, aber ich kann mich nicht bewegen, keinen Schritt. Sie sagt etwas, das ich nicht höre, es ist sehr windig da oben, wo wir stehen.
    Und dann fällt sie … und ich wache schreiend auf. Sie müssen diesen Mann finden, Frau Marx, sonst drehe ich durch.«
    Ich auch, denkt Anna, und steht auf, um ein Glas Wasser zu holen. »Erkennen Sie denn die Leute auf den Fotos?«
    Eva Mauz weint immer noch, als könne sie nie wieder aufhören. Sie hat ihre Brille abgenommen und ihr Gesicht entblößt. Es ist alt und müde, plötzlich maskenlos trotz aller Schminke. Sie ist so einsam wie ihre Schwester, denkt Anna, und ihre gesellschaftliche Geschäftigkeit ist nur der prächtige Rahmen für ein jämmerliches Bild. Sie tut ihr Leid, zum ersten Mal. Und sie wird ihr Julias Brief nicht zeigen. Es ist zu spät … für alles, was zwischen den beiden hätte gut werden können. Das, denkt sie, ist der Ursprung aller Qualen. Das »nicht mehr« und »noch nicht«. Sie kann Julia nicht mehr helfen und sie noch nicht betrauern.
    »Danke für das Wasser. Ich habe mir das Weinen eigentlich schon seit Jahren abgewöhnt. Sehe ich schrecklich aus?«
    Anna schüttelt den Kopf. Das Leben zwingt zur Lüge.
    Eva Mauz sieht Anna dankbar an. »Ja, die meisten kenne ich. Freunde der Familie, Vettern und Cousinen. Einige sind schon tot, und zu den Lebenden habe ich keinen Kontakt mehr. Mein Mann, wissen Sie, legte keinen Wert auf Familie oder Freundschaften. Er meinte, dass wir zwei uns genügen sollten. Ich fand das auch richtig so, bis er starb und mich allein zurückließ. Dann hatte ich praktisch nur noch Julia, aber sie verhielt sich sehr kühl, sie wollte einfach keinen engen Kontakt mehr. Ich hätte mich mehr um sie bemühen müssen … ich habe sie doch geliebt.«
    Wenn die Fassaden bröckeln, bleiben immer noch Mauern aus Selbstschutz. Anna liegt der Brief auf der Zunge, nein, sie wird es nicht tun. Sie zeigt stattdessen auf das Foto, das Liebling und Julia auf dem Schiff zeigt. »Und was ist mit diesem hier? Kennen Sie ihn?«
    Eva Mauz setzt ihre Brille wieder auf und studiert das Bild. Es dauert eine Weile, bis sie antwortet: »Nein, er ist mir unbekannt. Hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Vetter von uns, der jetzt in Australien lebt. Aber nein, Helmut war kleiner als dieser Mann hier, deutlich kleiner. Ich kenne ihn nicht.« Sie sieht zu Anna hoch, die neben ihr steht. »Ist das der Mann, der Julia umgebracht hat?«
    Sie hat aufgehört zu weinen. Ihr Gesicht ist hart geworden, hart und rachsüchtig. Sie führt einen Feldzug, denkt Anna, stellvertretend für alle Fehler und Unterlassungen während Julias Lebzeiten. Einer muss schuld sein, anders wird sie mit dem Selbstmord nicht fertig. Liebling lächelt in die Kamera, ein wenig verzerrt, was auch an der schlechten Qualität der Aufnahme liegen mag. Anna liebt ihn, liebt ihn nicht. Im Moment hasst sie ihn. Sie wird ihn fragen müssen und hat Angst vor der Antwort.
    »Es ist nur ein Foto, Frau Mauz. Wir wissen nicht, wann und von wem es aufgenommen wurde. Nicht jeder Mann, der zufällig neben Ihrer Schwester steht, muss der Heiratsschwindler sein.«
    »Ich glaube nicht an Zufälle«, erwidert Eva Mauz. Sie weint nicht mehr. »Alles ist schicksalhaft, zumindest, wenn

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