Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
Vom Netzwerk:
Expertisen oder Gutachten der Wirtschaft verzichten, er muss sich nach allen Seiten hin informieren, weil die meisten Gesetzesvorlagen unendlich kompliziert sind.«
    »Wie viele Abgeordnete schätzen Sie als kompetent und fleißig ein?«
    Sie fragt querbeet, denkt Liebling, um mich zu verwirren. Und sieht ihn an, als ob sie nicht bis drei zählen könnte. Liebling lächelt über seine Antwort: »Es ist wie überall: Sie finden die Faulen und Fleißigen, die Klugen und Dummen … und natürlich die Paradiesvögel so wie Messner oder Berlusconi. Die Quertreiber. Die Peniblen. Die Europahasser und -fans … die europäische Melange, die bisweilen wirklich spannend ist. Nach welcher Wahrheit suchen Sie eigentlich?«
    »Ich habe noch keine Ahnung«, sagt die Blonde, die immerhin für zwei Sekunden verblüfft aussah. »Ich stochere im Misthaufen. Pardon. Ich frage Leute aus und versuche, mir ein Bild zu machen. Stimmt es, dass der Schwund bei den EU-Haushaltsmitteln bei rund fünfzehn Prozent liegt? Das wären ja einige Milliarden, die in betrügerische Kanäle fließen.«
    »Etwas mehr als ein Prozent«, korrigiert Liebling, »knapp über eine Milliarde Euro. Was an Subventionen in den jeweiligen Ländern zweckentfremdet wird, liegt in der Verantwortung der einzelnen Staaten. Das wäre von Brüssel aus schwer überprüfbar.«
    »Interessanter Konjunktiv«, sagt die Autorin liebenswürdig. »Heißt es nicht, dass jedes Schwein dreimal den Brenner passiert, bevor es in den Schlachthof einfährt?«
    Liebling richtet den Blick auf sein Panoramafenster. Draußen scheint die Sonne und taucht die morschen Dächer Brüssels in gleißendes Licht. Es wäre schön, jetzt mit Anna spazieren zu gehen. Ihr wunderbarer Gang in diesen Wahnsinnsschuhen, der Hüftschwung, so ausladend … was interessieren ihn reisende Schweine? »Ich bin kein Experte für Agrarsubventionen, sondern berate eher die Industrie. Wissen Sie, das Schlachtross Europa ist ein störrischer Gaul, der von zu vielen gelenkt wird, als dass es nicht zu Fehltritten käme.« So, jetzt ist er seinen Satz losgeworden, und sie schreibt sogar mit. Geneigter Kopf, die Haare sind gefärbt. Sie trägt keinen Ehering, aber das soll ihn nicht interessieren. Nun sieht sie hoch und lächelt, als ob sie ihn verführen wolle.
    »Dann lassen Sie uns doch über die Tabakindustrie reden. Ich habe läuten hören, dass Sie auf diesem Gebiet sehr aktiv sind.«
    Beinahe wäre er zusammengezuckt. Liebling fragt sich, ob John Schultz sie geschickt hat. Nein, Schultz geht keine Umwege, sondern direkt ans Ziel. Eine Kommissionsspionin? Der Engländer, der die Jakobiner unter den europäischen Rauchgegnern anführt, klebt an seinem Stuhl. Alle kleben. Der Leim besteht aus Geld und Macht, dieses unvergleichlich verführerische Zwillingspaar. Er wird Schultz die Informationen geben, die er braucht, und sich dann aus Brüssel verabschieden. Nach ihm die Sintflut … und Gedanken, die ihn sanft skalpieren.
    »Möchten Sie nicht darüber reden – und falls ja, warum nicht?«
    Sie wippt schon wieder, ungeduldig, als ob er ihre Zeit verschwendete. Das Gegenteil ist richtig, und wenn sie nicht so blond wäre, hätte er sie längst hinausgeworfen. Sie sucht nach der Wahrheit, und das ist ein beschissener Job. Liebling sagt: »Ich berate die eine oder andere Institution. Rauchen ist ein sehr emotionales Thema – beschwert von sehr viel Geld …«
    »Könnten Sie wohl aufhören, um den heißen Brei herumzureden.«
    Sie ist unverschämt, denkt Liebling und verflucht Bruno, weil es einen Schuldigen geben muss. »Was wollen Sie von mir hören? Dass der Zigarettenverband in Deutschland eine Aufklärungskampagne gegen das Rauchen finanziert? Nur für die Zielgruppe Jugendliche natürlich. Mit fast zwölf Milliarden Euro. Dagegen wird es kaum gelingen, in Europa ein generelles Werbeverbot für Zigaretten durchzukriegen, obwohl die Jakobiner in der Kommission das so wollen. Entsprechende Richtlinien werden in den Ausschüssen so lange verwässert, bis sie europarechtlich abgesoffen sind. Man könnte in diesem Zusammenhang von erfolgreicher Lobbyarbeit sprechen, denn die Tabakindustrie fürchtet das generelle Werbeverbot wie der Teufel das Weihwasser … auf der Packung, aus der Sie eben wieder eine Zigarette geholt haben, steht es klar und deutlich: Rauchen ist tödlich. Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass man es jedem selbst überlassen sollte, wie er sich zu Tode befördert. Das nenne ich

Weitere Kostenlose Bücher