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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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keinen Widerspruch erträgt. Gereizt bis in die Fingerspitzen. »Hast du deinen Liebling verloren, Anna?« Er könnte sie trösten, ihren prächtigen Körper in die Arme nehmen und ihr Mozart ins Ohr flöten. Natürlich nicht bis zum Äußersten gehen, da spielt sein Penis nicht mit. Er hat ihn seiner großen Stimme geopfert, so will er es sehen. Etwas blieb auf der Strecke, damit sich ein anderes Organ vollkommen entfalten konnte. Fjodor legt dennoch seine weißen Hände auf Annas Bluse und spielt mit ihren Knöpfen.
    Anna schüttelt seine Hände ab und springt auf. Für eine große, starke Frau ist sie erstaunlich wendig. Der Karatekurs, in den sie sich eingeschrieben hat, es ist die erste sportliche Betätigung, der Anna in ihrem Leben näher getreten ist. »Hör auf damit, Fjodor, es kitzelt nur. Ich steck dir das Foto in den Briefkasten. Du bist ein wirklich guter Freund.«
    Der Freund ist gekränkt, und er rudert mit den Armen, weil sie ihn beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Anna küsst ihn und Freddy auf die Wangen, bevor sie geht. Ein Familienritual. Sie würde es vermissen. Selbst Fjodor würde ihr fehlen. Der Dreck auf den Gehwegen, die Graffiti an den Häuserwänden, der Straßenlärm, der Kiosk an der Ecke. Der erklärte Widerwille der Großstädter, anderen auszuweichen. Das goldene Berliner Herz, in Obszönitäten verpackt. Und Anna sieht Palmen, wo Straßenlaternen stehen. Wasser plätschert im Gulli. Sie besitzt nicht einmal einen Badeanzug. Nein und nochmals nein. Vielleicht später. Wenn der Sommer vorbei ist, der Fall gelöst und Liebling ein vertrauter Fremder. Und wenn er nicht darauf eingeht? Sie könnte eine Münze werfen: ein Gottesurteil oder so ähnlich. Anna gräbt in ihrer Tasche und findet einen Cent. Wirft ihn in die Luft …
    Die Münze rollt in den Gulli.

14. Kapitel
    »Scheiße« ist ein pietätloses Wort im Angesicht des Todes. Es hört sie keiner, denn der große Schlaf kommt ohne Worte aus. So viel Blut. Der Hinterkopf sieht aus wie eine große, geplatzte Tomate, nein, viel schlimmer, und sie tritt einen Schritt zurück, stößt gegen den Couchtisch und wiederholt sich. Der Tod ist still, unerbittlich, Strafe für die Lebenden.
    Die Frau steht unter Schock. Die Papiertüte mit den Einkäufen dieses Morgens ist ihr aus der Hand geglitten. Sie fiel auf den Teppich und saugt sich mit Blut voll. Überall Blut, selbst an den Wänden. Sein weißes Hemd ist rot und nass. Mit einer Schuhspitze seine Hüfte zu berühren ist eine unsinnige Handlung. Prada-Schuhe, und sie sind ruiniert. Sie bringt es nicht fertig, den Körper anzufassen. Er muss tot sein, der Hinterkopf ist eine unförmige Masse aus Haaren, Knochen, Haut und Blut. Sie sollte jetzt etwas tun. Schreien. Zum Telefon greifen. Aus der Wohnung stürzen. Doch sie bleibt stehen und starrt auf die Leiche, weil sie nicht begreifen will, was geschehen ist. Neben dem Toten liegt der Baseballschläger, blutverschmiert, als habe man ihn eilig abgewischt. Sie hat ihn auf dem Flohmarkt gekauft, aus einer Laune heraus, oder deshalb, weil sie einmal auf einen Polizisten schießen musste und eine ungefährliche Waffe wollte. Das ist ein Witz. Ein Albtraum. Wenn sie schreien könnte, würde sie aufwachen.
    Die Sekunden sickern wie Ewigkeiten, während sie dasteht und auf den Mann schaut, der nie wieder zu ihr sagen kann, dass sie eine Schlampe sei. Seine letzten Worte … aber vielleicht hat er ja noch etwas gesagt zu der Person, die ihn getötet hat. Von hinten, denn er stürzte nach vorne und liegt auf dem Bauch. Ein Bein ist angewinkelt, und sie schafft es immerhin, die nackten Knöchel zu berühren. Seine Haut ist noch warm. Sie war nicht länger als eine Stunde weg, und als sie zurückkam, war die Wohnungstür zu. Nicht abgesperrt, sie hat den Schlüssel nur einmal umgedreht, nachdem sie vergeblich geklingelt hatte.
    Er muss die Arme hochgerissen und im Fallen die Blumenvase auf dem Tisch umgeworfen haben, denkt Anna. Die Rosen liegen auf Teppich und Parkett verstreut. Er liegt in einem Bett aus Rosen, sie sind rot. Die Farbe von Liebe und Tod. Nie wieder wird Martin Liebling zu ihr von Liebe sprechen. Keine Verletzungen mehr und keine Vorwürfe. Sie haben gestritten, bis sie aus dem Haus ging. Sie sollte jetzt die Polizei rufen und keinesfalls versuchen, die Leiche umzudrehen. Sie will sein Gesicht nicht sehen.
    Anna geht zum Telefon. Sie umkreist die Leiche und weicht den Rosen aus. Keine Spuren verwischen. Nicht ohnmächtig

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