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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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glaube, dass die Tatwaffe gesäubert wurde, aber es ist in Eile geschehen. Er oder sie wusste ja nicht, wann ich zurückkommen würde.« Und was, wenn sie nicht mehr bei Sibylle vorbeigeschaut hätte? Jede Möglichkeitsform ist ein kleiner, stechender Gedanke, der sich in ihrem Körper in ein Messer verwandelt. Ihr Magen revoltiert, sie läuft zur Toilette und erbricht Schmerz und Wut. Der Tod macht zornig. Sie kann ihm auf keiner rationalen Ebene begegnen.
    »Keine Spuren verwischen!«, ruft jemand. War der Mörder auf der Toilette? Sie zieht ab, schafft es bis zum Waschbecken und hält ihr Gesicht unter den kalten Wasserstrahl.
    Die Kommissarin ist ihr ins Bad gefolgt. Ihre Stimme ist mädchenhaft mitleidlos: »Und Sie haben natürlich niemanden im Flur oder vor dem Haus gesehen, als Sie zurückkehrten.«
    Denk nach! Anna schließt die Augen und sieht nur Blut und Rosen. Sie richtet sich auf und begegnet Wandas Augen im Spiegel. Graue Augen, die einfach nur Neugierde ausdrücken. »Nein, habe ich nicht. Natürlich waren Leute auf der Straße, aber … Liebling muss diesen Menschen gekannt haben, sonst hätte er ihm wohl kaum die Tür geöffnet.«
    »Vielleicht dachte er, dass Sie es sind.«
    Ihre Stimme klingt nicht anzüglich, doch Anna fühlt sich angegriffen: »Ich war es aber nicht. Es gibt Dutzende Zeugen dafür, dass ich zur Mordzeit nicht in der Wohnung war.« Andererseits, er könnte ja schon länger tot sein. Anna dreht sich um, sie hat genug von Spiegelbildern: »Außerdem ist es nicht meine Art, Liebhaber umzubringen.«
    »Wenn Frauen töten, haben sie meist einen guten Grund dafür«, sagt Wanda Kroll. Anna hätte diesen Satz gemocht in einer anderen Situation. Sie hätte die Kommissarin sympathisch gefunden. Doch der Tod schluckt mindere Gefühle, sie empfindet nichts außer bodenloser Verzweiflung und Überdruss an dem Prozedere. Es muss einen Schuldigen geben, er muss gefunden werden. Er, sie, im Augenblick scheint es ihr unbedeutend. »Er wollte heute Abend in den Urlaub fliegen«, flüstert Anna. »Ein längerer Urlaub, nahezu unbefristet …«
    »Allein? Wir haben in seiner Tasche zwei Tickets gefunden«.
    Ja, natürlich. Er hatte ihre Zustimmung vorausgesetzt und zwei gekauft. Er war ein Mann der Tat, und jetzt ist er tot. Keine Insel mehr für Liebling. Beim Abendessen hatte er ihr von seiner Insel vorgeschwärmt, obwohl er sie nur aus Broschüren und Computerbildern kannte. Eine Insel der Seligen … so ein Blödsinn …
    »FrauMarx …?«
    Anna greift nach der Zahnbürste. Der widerliche Geschmack von Erbrochenem, und ihr Spiegelbild zeigt ein Gespenst. Seine Zahnpasta, sie greift danach. Nur nichts verkommen lassen, wie ihre Mutter immer sagte. Wer übrig bleibt, ist selber schuld. Muss viele Fragen beantworten, und Wanda Kroll hat wieder ihre Arme vor der Brust verschränkt und sieht allmählich ungeduldig aus. Anna putzt sich die Zähne. Sie würde gerne lügen, was die Insel betrifft, doch das wäre idiotisch. Sie gurgelt ausgiebig, bevor sie sich zu einer Antwort bequemt. »Er wollte, dass ich mitkomme. Aber ich … es schien mir unmöglich, hier von einem Tag auf den anderen die Zelte abzubrechen. Ich war mir auch nicht sicher, was den Mann betrifft …«
    »Ob Sie ihn lieben, meinen Sie?« Die Kommissarin betont jede Silbe, als ob es wichtig wäre. Jetzt noch. Als ob der Tod nicht alles auslöschen würde. Wie ein Feuer, denkt Anna, und zurück bleibt nur die Asche der Erinnerung. Sie hat ihn geliebt für ein paar Sekunden, daran erinnert sie sich genau. Doch der Abend war überwiegend von Streit begleitet. Wofür Anna in gewisser Weise dankbar war, weil dies ihre Schuldgefühle minderte.
    »Frau Marx, wenn Sie sich nicht wohl fühlen, können wir das Gespräch auch im Präsidium fortsetzen. Kann ich noch einen Kaffee bekommen? Ich habe mich heute Nacht von meinem Mann getrennt, und ich bin unglaublich müde.«
    Man sieht es ihr nicht an, denkt Anna. Warum erzählt sie ihr das? »Das tut mir Leid. Gehen wir zurück in die Küche. Nein, ich habe ihn nicht geliebt. Es war eine schöne Affäre, aber wir kannten uns kaum. Ein paar Wochen, und er lebte ja überwiegend in Brüssel.«
    »Mein Mann«, sagt Wanda Kroll, während sie sich Kaffee eingießt, »hatte auch eine Affäre. Er fand das nicht so schlimm. Ich schon.«
    »Männer!«, sagt Anna. Nur Frauen können dieses Wort so aussprechen; Enttäuschung liegt darin, Selbstmitleid und der atheistische Glaube, dass beim nächsten alles

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