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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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Tisch, während er aufsteht. In Siegerpose, wie Anna meint, sie könnte von den Krumen seiner Selbstsicherheit satt werden. Zweifel, nichts als Zweifel, und die erste Frage lautet: Warum liebt er mich überhaupt? Zweitens: Warum liebe ich ihn nicht genug? Drittens: Existiert David? Viertens: Was ziehe ich heute Abend an?
    Anna sieht ihm nach, wie er zur Tür geht und sie schwungvoll öffnet. Ein breiter Rücken in blauem Tuch, und die Haare sind sehr kurz geschnitten. Inselfrisur.
    Er hat ihr längst nicht alles gesagt, zumindest darin ist sie sicher. Anna fängt Freddys Blick ein, und auch darin steht eine Frage. Sibylles Mann für alle Getränke kommt an ihren Tisch. »Kann ich abräumen und kassieren? Sehe ich Trinkgeld? O mein Gott, der Mann muss ein Krösus sein.« Er lässt den Zwanziger in seine Hosentasche gleiten. Die Geschäfte laufen schlecht in letzter Zeit, die Leute sparen sogar beim Saufen. Halten sich stundenlang an einem Glas fest, und Sibylle scheint dies nicht einmal zu kümmern. Seinem Vorschlag, die Preise zu erhöhen, begegnete sie mit sozialen Argumenten. Die schönen Verlierer, Gott, wie satt er sie manchmal hat. Glauben sie wirklich, dass es genügt, als guter Mensch eine Scheißwelt zu verlassen? »Krall ihn dir, Anna, und nimm mit, was du kriegen kannst. Das meine ich ernst. Es gibt keine zweite Chance – und kein Probeleben.«
    »Ach, komm mir nicht damit!« Anna schlägt mit der Faust auf den Tisch. Endlich! Das wollte sie schon die ganze Zeit tun. Mit der Faust auf den Tisch hauen und den anderen zum Schweigen bringen. Den Aschenbecher wollte sie nicht umkippen, doch er hat ihrem Zorn nicht standgehalten. Die Kippe in der Butter sieht obszön aus, und Freddys Mund steht offen.
    »Seit wann ist Geld umsonst zu haben?«, brüllt Anna.
    »Wo?«, fragt Fjodor.
    Sie haben ihn nicht kommen gehört, er steht hinter Anna und achtet nicht auf Freddys Zeichensprache, sich still zu verhalten.
    »Wo gibt es Geld? Ich bin in gewissen Verlegenheiten.«
    Anna dreht sich zu Fjodor um. »Das bist du doch immer. Du schuldest mir seit Monaten zweihundert Euro.«
    »Sie ist sehr gereizt.« Freddy zieht sich in Richtung Bar zurück, und Fjodor schrumpft unter Annas bösen Blick. Er wickelt sich tiefer in seinen gelben Schal, den er auch im Juni trägt. Er muss seinen Hals schützen, der eine Stimme beherbergt, die einmalig ist. Nur will sie keiner hören, weil Taubheit um sich greift. Die lautlose Vernichtung der Musik, und die Welt ist ein lärmender Misthaufen, der seine Genies unter sich begräbt. Wann hat man je von Opernsängern gehört, die ihr Geld damit verdienen, das Geschrei von Babys zu ertragen? Eines Tages wird er sein Nervenkostüm ablegen und Jonathan erwürgen. Er sollte Sibylle warnen, andererseits ist sie seine einzige verlässliche Geldquelle. Abgesehen von Anna, wenn sie in der Stimmung ist, eine leichtfertige Bank zu sein.
    »Du schuldest mir einen Gefallen«, sagt Anna. »Du kennst doch einen Portier im ›Adlon‹. Ich gebe dir die Kopie des Fotos, und damit gehst du zu ihm und fragst ihn, ob der Mann dort abgestiegen ist. Ob er ihn wiedererkennt. Er heißt David Liebling, aber vielleicht hat er einen Künstlernamen benutzt.«
    »Ein Sänger?« Fjodor hasst es, seine Wohnung großräumig zu verlassen. Der Portier ist ein Vetter zweiten Grades, den Onkel Wanja ans Hotel vermittelt hat, um dort potente Kundschaft für seine Mädchen auszuspähen. Berlin ist von russischen Maulwürfen unterwandert, aber das ist eine andere Geschichte. Anna ist eine Bank, die in gewisser Weise auch Zinsen fordert. Ihr Gesichtsausdruck duldet keinen Widerspruch.
    »Kein Sänger. Ein Gauner mit Allüren. Deshalb denke ich, dass er im ›Adlon‹ abgestiegen ist. Bitte mach es noch heute, es ist wirklich dringend.«
    »Sie will verreisen«, ruft Freddy.
    »Will sie nicht.« Anna zieht an Fjodors Schalenden. »Du machst es – oder du gibst mir sofort mein Geld zurück.«
    Im Niemandsland seiner finanziellen Nöte gefangen, nickt Fjodor und beschließt gleichzeitig, sich die Mühen einer Busreise zu sparen. Öffentliche Verkehrsmittel sind Viren- und Bazillenträger, und Fjodor vermeidet es tunlichst, sich den todbringenden Maschinen zu nähern. Er wird einfach behaupten, Annas Gauner sei nie gesehen worden.
    »Ich rufe deinen Freund morgen an, also versuche nicht, mich zu betrügen, Fjodor.« Annas Stimme ist wieder sanft, doch was sie sagt, gefällt ihm nicht. Sie ist in einer dieser Stimmungen, in der sie

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