Anna Marx 9: Feuer bitte
ist tödlich« lautet die Aufschrift, und Anna würde hier und jetzt gerne sterben.
»Stört es Sie, wenn ich …?«
»Keineswegs«, flüstert Anna und presst ihre Nägel in die Handballen. »Ich bin Privatdetektivin – und ich war mit Martin Liebling befreundet. Wissen Sie irgendetwas, das mir bei den Nachforschungen helfen könnte?«
Die Blonde raucht gern, man sieht es. Sie sieht Anna beinahe mitleidig an. »Sie klingen verzweifelt, aber ich fürchte, viel kann ich zur Erhellung nicht beitragen. Ich war gerade mal eine Stunde in seinem Büro, und Liebling ist mir überwiegend ausgewichen. Ich wollte von ihm etwas über diesen Deal hören zwischen der EU und dem Tabakkonzern. Er hatte seine Finger im Spiel, ich weiß es, aber natürlich hat er nur Seifenblasen ausgestoßen. Bruno, sein Assistent, sagte mir, dass Liebling Probleme mit John Schultz hatte …«
»… der zufällig auch im ›Métropole‹ wohnt.«
Sie lächelt: »Ach, das wissen Sie schon. Ich bin hinter ihm her, aber der Mann ist wie ein Krokodil, das untertaucht, sobald man es greifen will. Eines allerdings weiß ich: Schultz hat sich, nach Lieblings Verschwinden, mit Bruno Laurenz getroffen … und zwar an dem Tag des Unfalls. Bruno kam von diesem Meeting, als es geschah. Schultz kann es also nicht gewesen sein, er saß noch im Café.«
»Er hat einen Fahrer«, sagt Anna.
»Ich weiß, und der hatte an diesem Tag frei. Aber es war keine Limousine, sondern ein Sportwagen, der am Unfallort gesehen wurde. Es gab Dutzende Zeugen, und sie widersprechen sich natürlich. Von Porsche über BMW bis zu Japanern wurden so ziemlich alle Marken gesichtet. Einig waren sich die Zeugen nur in der Farbe: Schwarz. Der Wagen fahr zu schnell, doch die Polizei geht davon aus, dass es Unfall mit Fahrerflucht war. Sie ermitteln noch, aber man weiß ja, wie das in Belgien ist … die Mühlen mahlen zermürbend langsam. Schade um Bruno, er war ein guter Informant.«
»Sie glauben also nicht, dass es ein Unfall war?« Anna sieht zu, wie die Zigarette getötet wird. Sie war noch in der Mitte ihres glühenden Lebens, die Autorin raucht gesund, sofern dieser Ausdruck zulässig ist. Und Anna ist krank vor Selbstmitleid, und der Espresso schmeckt bitter.
Die Blonde sieht hinaus zur Place de Brouckère, auf der Touristen flanieren und Taschendiebe Beute suchen. Ihr Hals wirft Falten, das gefällt Anna, weil sie an schlanken Frauen nach Makeln sucht, die das Ungleichgewicht austarieren. Der Blick, den sie Anna zuwirft, ist abweisend, vielleicht auch nur vorsichtig. »Ich weiß nicht, vielleicht ist es nur meine mörderische Phantasie. Ich sollte Thriller schreiben und nicht Sachbücher. Man recherchiert wie eine Blöde und steht am Ende doch mit halben Wahrheiten da. Brüssel ist wie ein gefrorener Schneeball, der in der Hand schmilzt – und nichts als Kälte hinterlässt. Bruno wollte ans große Geld – und gleichzeitig als Moralist dastehen, indem er mir Informationen zuschanzte. Doch vermutlich war dieser Spagat eine Nummer zu groß für ihn. Irgendwie fühle ich mich schuldig an seinem Tod.«
Wie ich bei Liebling, denkt Anna und spürt einen Anflug von Zuneigung, der verfliegt, als ihr Gegenüber schon wieder zur Zigarette greift. »Ist Schultz denn von der Polizei vernommen worden?«
Achselzucken. Sie sieht, denkt Anna, müde aus – und das macht alt. Ihre Stimme klingt heiser. »Mit Lieblings Tod kann Schultz nichts zu tun haben, zumindest nicht persönlich. Am besagten Tag war er hier, in Brüssel. Ich habe ihm nachspioniert, weil ich wissen wollte, mit welchen Leuten er sich trifft. Gott, ich würde was darum geben, diesen Kerl zu verwanzen. Danach könnte ich mich hinsetzen und das Buch der Bücher schreiben. Stattdessen mache ich mich morgen auf nach Frankreich, ins Schloss des Martin Bangemann. In der irrwitzigen Hoffnung, dass der Typ aus dem Nähkästchen der wundersamen Geldvermehrung plaudert. Was er nicht tun wird, ich weiß es … und was treibt Sie an, die Wahrheit zu jagen?«
»Altersstarrsinn.« Anna hat keine Lust, ihr von Marx und Liebling zu erzählen.
Ihr Gegenüber lacht und sieht auf die Uhr. »Von den zehntausend Dollar plus Zeitungspapier im Koffer haben Sie gelesen? Auch, dass er sich beim Zusammenprall öffnete und die Scheine auf die Straße flogen? Kein Wunder, dass sich kein Zeuge an den Unfallwagen erinnern kann. Die waren alle damit beschäftigt, das Geld aufzuklauben. Wenige sind besser als die anderen. Wussten Sie, dass
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