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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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atmet sie anders. Bewusster, so als ob Sauerstoff an Bedeutung gewonnen hätte. Sie sieht sich in der Straße um, und obwohl ihr Orientierungssinn stark unterentwickelt ist, erkennt sie einiges wieder. Wenn sie geradeaus weitergeht, kommt sie zur Place du Grand Sablón, wo Martins Wohnung liegt. Sie sollte sich nach einem Taxi umsehen und ins Büro zurückfahren. Anna versucht, Alicia dort zu erreichen, doch niemand antwortet außer der Konservenstimme. Sie sagt in drei Sprachen, dass Martin Lieblings Büro zurzeit nicht besetzt sei.
    Der Besitzer ist mit unbekanntem Ziel verreist, denkt Anna. Jede Sekunde stirbt ein Mensch, 56 Millionen sind es weltweit pro Jahr. Der Himmel und besonders die Hölle wären hoffnungslos überbevölkert, wenn die Kirche Recht hätte. Es gibt keinen Trost, nur das Leben. Es führt sie zu dem Haus, in dem Martin wohnte.
    Dass sie an seiner Wohnungstür schellt, ist mutig. Eigentlich will sie Helena gar nicht kennen lernen, es gab zu viele Frauen in seinem Leben. Die Stimme, die durch die Sprechanlage »Hallo« sagt, klingt schläfrig und abweisend. Ich habe sie aufgeweckt, denkt Anna und nennt ihren Namen und ihr Anliegen. Sie lügt natürlich. Martins Anwaltskanzlei würde nicht eine Detektivin beauftragen, seine Angelegenheiten zu regeln.
    »Was genau liegt an?«, fragt Helena Liebling, nachdem sie Anna misstrauisch gemustert und schließlich eingelassen hat. Sie trägt Jeans und ein weißes Hemd, das ihr viel zu weit ist. Aus Martins Beständen, wie Anna vermutet, und auch, dass sie sich hastig angekleidet hat. Sie ist ungeschminkt. Braun gebrannt, was gut zu den weißblonden Haaren passt, die ganz kurz geschnitten sind. Türkisfarbene Augen, ein wenig verquollen vom langen Schlaf, doch sie ist schön, denkt Anna. Vielleicht schon fast am Verblühen, aber immer noch eine Erscheinung, die auffallt. Helena Liebling ist groß und schlank, auf gleicher Höhe wie Anna, obwohl sie barfuß geht.
    »Sind Sie gekommen, um mich aus der Wohnung zu werfen?« Ihre Hand weist auf die weiße Couch, sie trägt einen Ehering.
    Anna setzt sich. Es gibt Möbelstücke, auf denen man nie richtig sitzen kann, und diese Couch gehört dazu. Man versinkt oder verharrt am Rand in kerzengerader Stellung, mit den Beinen auf dem Boden. Sie entscheidet sich für Letzteres. »O nein, deshalb bin ich nicht gekommen.«
    Das scheint die richtige Aussage, denn die schöne Helena lächelt und fragt Anna, ob sie auch einen Kaffee wolle.
    »Ja, gern.« Und nun wieder dieser Reflex, nach der Tasche zu greifen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Annas Hand bleibt in der Luft. Sie betrachtet sie und nimmt zur Kenntnis, dass sie zittert. Warum kann sie einem Laster nicht einfach abschwören und stark sein? Anna Marx, auf einer weißen Couch, sieht schwarz. Trägt Schwarz wie eine Witwe, und die andere, die diese Bezeichnung ebenso wenig in Anspruch nehmen kann, verschwindet in die Küche.
    Sie hat den Gang eines jungen Mädchens, eine Beobachtung, die Anna zu sachlicher Kritik reizt. Die Stimme ist unangenehm und der Tonfall herrisch. Helena ist offenbar ebenso wenig Ordnungsfanatikerin wie ihr Exmann, denn das Wohnzimmer ist gesäumt von Kleidungsstücken, Golfzeitschriften, leeren Flaschen. Sie trinkt Chablis, und wenn sie es allein getan hat, nicht wenig davon. Auf dem Tisch liegt ein goldfarbenes Notizbuch, das Annas Neugierde reizt. Es wäre falsch, danach zu greifen, zumal, wenn sie dabei erwischt würde. Sie blickt aus dem hohen Glasfenster auf die Kathedrale, brabantische Gotik, die im Sommer von Touristenströmen heimgesucht wird. Gott sieht alles. Wie hält er das nur aus?
    »Milch und Zucker?«
    Diese Stimme könnte Glas zerschneiden. »Ohne alles!«, ruft Anna zurück.
    Helena kommt mit einem Tablett, schenkt Kaffee ein und mustert Anna mit dem Blick der überlegenen Schönheit. »Ich habe eine schlimme Nacht hinter mir, normalerweise stehe ich früher auf. Schrecklich, was mit Martin passiert ist. Das hat er nicht verdient.«
    Dich auch nicht, denkt Anna. Der Kaffee ist heiß und viel zu stark, und er schmeckt nicht ohne Zigarette. Sie ist dankbar, dass ihr Gegenüber nicht raucht, obwohl sie sogar den Geruch vermisst. »Niemand tut das. Haben Sie es aus der Zeitung erfahren?«
    Helenas Augen sind groß und von nur wenigen Falten gesäumt. Sie sieht modelliert aus, nicht jung, nicht alt, nicht wirklich lebendig. Ihre Lippen erinnern Anna an ein hübsches Froschmaul, doch wenn sie leiser spricht, wird ihre Stimme

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