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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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Anna. Denn im Heer der gleichgültigen Seelen stehst du an vorderster Front. »Wann haben Sie David zum letzten Mal gesehen?«
    Und da ist er wieder, dieser Riss. Als ob der Name etwas auslöste, das sie nicht unter Kontrolle hat. Das Lächeln von Sharon Stone, vermutlich einstudiert, erstarrt zur Maske. »Ich weiß nicht … bei meiner Hochzeit? Nein, beim Begräbnis der Großmutter, und einmal in Paris, als Martin ihn aus irgendeinem Schlamassel holte. Er hat immer alles für David getan, aber mehr, um ihn mit seiner Güte zu demütigen. Er hasste ihn, glaube ich, während David überhaupt nichts fühlte. Ein Herz aus Stein, von zartem Schmelz umgeben. Außer wenn er am Spieltisch stand – oder vielleicht beim Sex, ein paar Sekunden lang.«
    Und das weißt du genau: Anna interpretiert diesen letzten Satz als Geständnis. Helena und David hatten also Sex. Und einer, der so war wie sie, berührte ihre Seele. Es gibt ja doch Gerechtigkeit auf Erden, nur ist sie leider absurd. »Hat Martin Liebling gewusst, dass Sie etwas mit seinem Bruder hatten?«
    Falsche Frage. Helenas Hand mit rot lackierten Fingernägeln weist in Richtung Tür: »Raus!«
    Anna bleibt sitzen. »Das ist nicht mehr Ihre Wohnung. Eigentlich haben Sie gar kein Recht, hier zu sein.«
    »Und Sie haben kein Recht, mir solche Fragen zu stellen. Mein Mann ist tot, auf grauenhafte Art ermordet worden. Verschwinden Sie, bevor ich die Polizei rufe!«
    Anna denkt, dass sie schlechte Karten hätte mit französisch sprechenden Polizisten. Sie würden der schönen Helena jedes Wort glauben und die Rothaarige abführen. Zu viele Frauen in Martins Leben … und jetzt, im Augenblick der Stille, hört sie ein Geräusch, das aus der Richtung des Schlafzimmers kommt. Die alten Holzdienen knarren, wenn der Teppich verrutscht ist. Daran kann sie sich gut erinnern. Und jetzt ächzen sie, als ob einer darauf geht. Jetzt innehält vor Schreck … oder eine … nein, sie ist ganz sicher, dass David im Schlafzimmer ist. Und was soll sie jetzt tun?
    Helena ist aufgestanden und hält das Telefon in der Hand. »Ich rufe die Polizei«, wiederholt sie und beginnt auf die Tasten zu drücken. Sie blufft, denkt Anna, doch dann hört sie das Freizeichen. Angriff oder Rückzug? Im Zweifelsfall entscheide man sich für das Richtige, hat Karl Kraus gesagt. »Raus!«, kreischt die Witwe. Anna steht auf. Ihr Rücken schmerzt, doch das versucht sie jetzt zu vergessen. Das Richtige ist meist das, was schwerer fällt. Sie sollte jetzt gehen, und sie bewegt sich in Richtung Tür.
    Helena Liebling nennt ihren Namen und verlangt nach einem Vorgesetzten, soweit Anna das versteht. Perfektes Französisch, und sie sieht dabei Anna mit diesen unglaublich türkisen Augen an. Es ist die Arroganz, die Anna reizt, und bisweilen ist sie von verwegener Dummheit. »Ich würde gerne Martins Bruder kennen lernen: Warum kommt er nicht raus?«
    Der Vorgesetzte ist offenbar noch nicht am Telefon. Helena hält es wie eine Waffe in ihrer Hand, doch sie wartet noch. Sieht Anna an und sagt: »Sie sind eine Idiotin und verstehen gar nichts. So gehen Sie doch endlich.«
    Aus Gründen, die sie nicht erklären kann, folgt Anna diesem Satz. Sie geht. Ihre Karte mit der Telefonnummer hat sie auf dem Tisch zurückgelassen. Anna Marx – Privatdetektivin. Sie steht im Treppenhaus und fühlt sich wie eine Idiotin. Jetzt muss sie nur noch die Erklärung dafür finden.

25. Kapitel
    Den Weg zurück ins Büro findet sie mit einem Taxi. Anna war fünf Stunden unterwegs und hat ein schlechtes Gewissen, Alicia so lang allein gelassen zu haben. Dass sie immer noch schläft, als sie aufsperrt, empfindet sie zunächst als Segen. Doch die Frau auf dem Sofa liegt zu still, zu bewegungslos. Wie eine Tote, denkt Anna, als sie näher kommt. Leise Panikwellen formieren sich zu einer Woge der Angst, die den Impuls auslöst, dass sie weglaufen sollte. Gänsehaut kriecht auf Annas Arme, obwohl es warm ist im Zimmer. Auf dem Tisch steht eine Wasserflasche, sonst nichts. Alles ist aufgeräumt, ordentlich, doch kein Mensch kann so lange und tief schlafen, nicht nach einer Valiumtablette.
    »Alicia.« Anna rüttelt sie sanft an der Schulter und beugt sich über sie. Dunkler Haaransatz beginnt das Rot zu unterwandern. Unter geschlossenen Augen ziehen sich Tränenspuren über beide Wangen. Klein und zerbrechlich liegt sie da, wie ein trauriges Kind, das Schlaf dem Wachen vorzieht.
    »Alicia, verdammt!« Anna rüttelt stärker, sie schreit jetzt,

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