Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
wusste, was zwischen euch beiden läuft?«
Ein Fünkchen Leben. Gloria beugt sich vor. »Falls Laura von unserer Affäre gewusst hat, hat sie sich das nie anmerken lassen. Nie. Wir haben oft zusammen zu Abend gegessen, wir drei. Manchmal, am Anfang, war David auch dabei.«
»Du hast zu der Zeit mit David und Rory und Rorys Frau zu Abend gegessen, als du es mit Rory getrieben hast? Du hast wirklich Nerven, Gloria. Kein Wunder, dass seine Frau es auf dich abgesehen hat.«
»Ich weiß, was sie den Reportern gesagt hat«, erwidert Gloria. »Sie hat gelogen. Ich glaube wirklich, dass sie von Rory und mir keine Ahnung hatte.«
»Jedenfalls bis gestern Abend.«
»Bis gestern Abend.«
Ich schüttele den Kopf. »Bist du sicher, dass O’Sullivan seiner Frau nicht vorher etwas gesagt hat? Sie hat behauptet, er hätte ihr die Affäre schon vor Wochen gebeichtet, und sie hätte ihm verziehen.«
Gloria macht schmale Augen. »Ich will dich mal was fragen. Wenn dein Mann dir eine Affäre gebeichtet hätte, würdest du diese Frau dann zu seiner Geburtstagsparty einladen? Oder zu dir nach Hause zum Mittagessen, wie erst vor ein paar Tagen?«
»Nur wenn ich ihr Strychnin servieren wollte.«
Sie nickt. »Genau. Ich bin von uns beiden die Schauspielerin. Laura hätte sich mir gegenüber unmöglich so verhalten können, wie sie es getan hat, wenn sie da schon gewusst hätte, dass Rory und ich eine Affäre hatten. Sie ist übrigens seine zweite Ehefrau. Die Trophäenfrau. Sie kannte ihn. Ihre Antennen waren sicher immer ausgefahren, kein Anzeichen dafür, dass er sie betrügt, wäre ihr entgangen. Sie hätte es gemerkt. Immerhin hat sie ihn sich selbst auf diesem Weg geangelt. Sie war ursprünglich seine persönliche Assistentin. Mit Betonung auf persönlich.«
Gloria beobachtet mich, während sie diese Geschichte erzählt. Das Ganze klingt nach einem glaubhaften Motiv. Die zweite Ehefrau verteidigt ihr Territorium gegen die vermeintliche Bedrohung. Hübsch und ordentlich. Es könnte sogar stimmen. Allerdings scheint Gloria dabei eine bedeutende Tatsache zu übersehen. Die derzeitige Mrs. O’Sullivan mag keine Schauspielerin sein, aber die Geschichte, die sie der Polizei erzählt hat, war glaubhaft genug, um Gloria ins Gefängnis zu bringen.
»Ich werde bei ihr ein bisschen nachforschen. Mal sehen, ob eine Waffe auf sie registriert ist.«
»Dein Freund, Polizeichef Williams, sollte dir da helfen können, oder nicht? Er wird dir doch Zugang zu den Polizeiakten verschaffen?«
Ich schüttele den Kopf. »Er ist vorläufig beurlaubt. Ich habe im Moment keinen Kontakt bei der Polizei. Dein Anwalt müsste aber auch Zugang zu solchen Sachen haben. Ruf Sutherland an und lass die Berichte in mein Büro faxen. Die Nummer hast du ja.«
Ich trinke meinen Kaffee aus und stehe auf.
Gloria erhebt sich ebenfalls und streckt mir die Hand hin. »Ich rufe ihn sofort an. Danke, Anna. Danke, dass du das für mich tust. Ich weiß, dass du eigentlich nicht willst.«
Ich erwidere den Händedruck. O doch, und wie ich das will. Das Lächeln auf meinem Gesicht muss Gloria als Ausdruck des guten Willens erscheinen.
In Wahrheit will ich sie nur schnell los sein. So oder so, Gloria wird bald der Geschichte angehören.
Ich kann es kaum erwarten, dass sie endlich verschwindet.
Kapitel 19
Von Glorias Hotel aus fahre ich ins Büro. Erst als ich im Auto sitze, fällt mir auf, dass sie meine Frage, warum sie gestern überhaupt zu Rory nach Hause gegangen ist, gar nicht beantwortet hat. Sie hat mich geschickt ausgetrickst und mit der Kaffeetasse und den zitternden Händen abgelenkt.
Denn als sich meine Fragen dann um Mrs. O’Sullivan drehten, hat sie sich erstaunlich schnell wieder erholt.
Sie verbirgt etwas. Ich bin versucht umzukehren, schnurstracks zum Hotel zurückzufahren und sie zu zwingen, mir zu sagen, wie O’Sullivan sie dazu gebracht hat, brav bei ihm auf der Matte zu stehen.
Aber in Wahrheit interessiert mich etwas anderes noch mehr. Ich will wissen, warum Frey so entsetzt über mein Treffen mit Sandra war. Frey und ich hatten es schon mit ein paar sehr gefährlichen Gegnern zu tun – menschlichen und nicht menschlichen. Er weiß, dass ich mich verteidigen kann.
Dass er so negativ und besorgt reagiert hat, muss also etwas bedeuten. Soll ich seinen Rat beherzigen und Williams anrufen? Aber als ich Williams gestern Abend getroffen habe, hat er mir da seinen Rat angeboten? Irgendwelche Warnungen vor einem Treffen mit Sandra ausgesprochen?
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