Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
wieder seinen Kunden zu, aber ich spüre seine tastenden Gedanken in meinem Kopf. Großartig. Jetzt muss ich auch noch aufpassen, dass ich keine Gedanken aussende, die er nicht auffangen soll. Das ist eine Privatangelegenheit, Gordon.
Er zieht sich nicht sofort zurück, aber nach einem Augenblick geistiger Leere widmet er seine Aufmerksamkeit wieder Kaffee und Muffins, und ich spüre, wie die Verbindung abbricht.
»Jason«, sage ich mit scharfer Stimme. »Wenn du ausrastest, nützt das niemandem.«
»Was denn sonst? Sie glauben mir nicht. Das sehe ich Ihnen an. Sie werden zulassen, dass sie Gloria die Schuld in die Schuhe schieben, aber ich sage Ihnen, sie war es nicht. Laura war’s.«
Ich hebe die Hand. »Ich habe nicht gesagt, dass ich dir nicht glaube. Gloria hat kein Motiv dafür, deinen Dad umzubringen. Jedenfalls kein glaubhaftes.«
Vor Erleichterung entspannen sich seine Gesichtszüge und Schultern. »Die Geschichte von der Affäre? Das ist Blödsinn. Laura wusste nichts von Dad und Gloria. Sie kann nichts gewusst haben. Sonst wäre sie nie so nett zu Gloria gewesen, wenn die zu geschäftlichen Besprechungen mit Dad bei uns zu Hause war.«
»Tja, vor zwei Tagen wusste sie jedenfalls Bescheid. Hast du eine Ahnung, wie sie es herausgefunden hat?«
Er schüttelt den Kopf. »Ich kann mir nur vorstellen, dass jemand in ihrem Auftrag meinen Dad beschattet hat.«
»Du meinst einen Privatdetektiv? Warum sollte sie das tun, wenn sie keine Affäre vermutet hätte?«
Er spielt mit seiner immer noch unberührten Tasse Kaffee herum. »Vielleicht hatte sie ja doch einen Verdacht. Nur nicht mit Gloria .... so direkt.«
Ich starre ihn an. »Dein Dad hatte noch jemanden außer Gloria?«
Jason treten Tränen in die Augen. Er schaut auf den Tisch hinab. »Ich glaube, er hatte auch etwas mit einer seiner Anwältinnen.«
»Wie kommst du darauf?«
Auch diesmal sieht er mich nicht an. »Ich habe ihn einmal überrascht. Im Büro. Wir waren zum Mittagessen verabredet, und ich war zu früh da. Er und diese Frau haben sich geküsst. Sie haben versucht, sich herauszureden, von wegen er hätte ihr geholfen, weil sie was im Auge hatte.« Er schnaubt. »Schon klar. Im Auge. Seine Hand lag auf ihrer Brust. Für wie dämlich halten die mich eigentlich?«
»Hast du deiner Stiefmutter davon erzählt?«
Er schüttelt den Kopf. »Nein.« Sein Gesichtsausdruck wirkt plötzlich vorsichtig, zaghaft und schuldbewusst.
»Glaubst du, du hättest es ihr sagen sollen?«
»Vielleicht.« Wieder weicht er meinem Blick aus. »Um ehrlich zu sein, habe ich mich darüber gefreut. Ich mag Laura nicht. Konnte sie noch nie leiden. Ich dachte, wenn mein Vater eine Freundin hat, bedeutet das, dass er und Laura Probleme haben.«
Ich krame in meiner Handtasche nach einem kleinen Notizblock und dem Stift. »Wie heißt diese Anwältin?«
»Connie Crandall.«
»Und sie arbeitet in der Firma deines Vaters?« Er nickt. Ich lächle Jason mitfühlend zu. »Waren da noch andere Frauen?«
Er schüttelt den Kopf. »Weiß ich nicht genau, aber das kriege ich heraus.«
O-oh. »Was soll das heißen?« Jetzt klingt er nicht mehr unsicher, sondern eifrig.
»Wenn Laura einen Privatdetektiv angeheuert hat, muss es doch belastende Dokumente geben, oder nicht?« Belastende Dokumente? Der Junge sieht zu viel fern. Aber ehe ich etwas dazu sagen kann, ist er schon einen Schritt weiter. »Ich durchsuche ihren Schreibtisch. Vielleicht finde ich eine Rechnung oder ihr Scheckheft.«
Ich hebe die Hand, um seinen Enthusiasmus zu bremsen. »M-m«, sage ich bestimmt. »Nein. Ich will nicht, dass du irgendetwas tust. Wenn deine Schwiegermutter in den Mord an deinem Vater verwickelt war, dann ist sie gefährlich. Überlass das mir.«
»Aber wie .... ?« Ein verschlagener Ausdruck breitet sich über sein Gesicht. »Ich habe eine Idee. Laura und ich müssen heute zum Bestattungsinstitut, um alles zu arrangieren. Ich lasse die Tür zu Dads Büro offen, dann können Sie reinkommen. Lauras Arbeitszimmer ist oben, neben dem Schlafzimmer. Wir werden mindestens zwei Stunden lang weg sein.«
»Was ist mit den Angestellten?«
»Laura hat ihnen den Tag freigegeben. Ein paar von ihnen waren schon sehr lange bei Dad und mir. Was da passiert ist, hat sie ziemlich erschüttert.«
Nicht zu fassen, dass ich seinen Vorschlag ernsthaft in Erwägung ziehe, aber er ist tatsächlich sinnvoll. Besser, als wenn ich versuche, auf eigene Faust bei ihnen einzubrechen oder jeden Privatdetektiv in
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