Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
Leben eine Art Normalität ein. Dad widmete sich wieder seinem Beruf, und auch Mom ging wieder zur Arbeit, und ich ging wieder zur Schule. In unserem Leben klaffte ein riesiges Loch, aber ich bewundere meine Eltern dafür, wie sie sich zusammengerissen haben. Meinetwegen, das weiß ich. Und dafür werde ich ihnen ewig dankbar sein.
Aber manche Dinge waren nie wieder so wie vorher. Nach der Beerdigung gingen wie nie wieder in die Kirche. Der Pfarrer von St. John’s versuchte oft, meine Eltern wieder zurückzuholen, aber die Antwort war immer dieselbe. Wie Steve, so war auch Gott aus unserem Leben verschwunden. Vollständig und für immer.
Nur vermisste ich Steve viel mehr, als ich Gott je vermisst hatte.
Als ich mich jetzt meinem Elternhaus nähere, bedrückt mich die Vergangenheit, und das, was mir bevorsteht, macht mich nervös. Meine Mutter war so wütend auf mich. Wird sie immer noch zornig sein? Und Trish? Werden sie mir verzeihen, dass ich ihnen den Abend verdorben habe?
Ich hätte gestern Abend bei ihnen bleiben sollen.
Das Treffen mit Sandra war eine Katastrophe und hat überhaupt nichts gebracht, außer dass ich mir heute Morgen dumm vorkomme. Ich weiß nicht, was passiert ist. Es ist mir auch egal. Ich weiß nur, dass der Bann gebrochen ist – nicht so, wie ich es geplant habe, aber der Zauber ist gelöst. Ich werde nie wieder einen Fuß in Averys Haus setzen.
Als ich in der Einfahrt meiner Eltern halte, habe ich mich so in meine Aufregung hineingesteigert, dass ich mich frage, ob es klug war, überhaupt herzukommen. Ich gehe zur Haustür, schließe mit meinem eigenen Schlüssel auf und stelle fest, dass sie nicht zu Hause sind. Vor Erleichterung sinke ich förmlich zusammen. Ich schreibe ihnen einen Zettel, damit sie wissen, dass ich hier war, und mache mich schleunigst vom Acker.
Ich habe getan, was ich gestern Abend versprochen habe. Ich bin vorbeigekommen. Jetzt sind sie am Zug.
Morgen werde ich Dad im Büro anrufen und ihn fragen, ob er davon gehört hat, dass O’Sullivan in Schwierigkeiten stecken könnte. Er ist Investment-Banker, er hört alles.
Ich bin zwar erleichtert, weil ich meiner Mutter nicht gegenübertreten muss, aber auch traurig darüber, dass ich Trish heute nicht sehen werde. Ich habe ihr gestern Abend Angst eingejagt. Sie befürchtet, die Seifenblase des Glücks, die sie so sorgsam hütet und ausbaut, könnte jeden Moment platzen.
Und weshalb das alles? Wegen meiner erotischen Illusionen über eine Frau, die offensichtlich total psychotisch ist. Gut gemacht, Anna.
Beinahe gelingt mir die Flucht. Ich habe den Jaguar in der Auffahrt gewendet und die Straße schon halb erreicht, als meine Familie nach Hause kommt. Wenn sie dreißig Sekunden später da gewesen wären, hätte ich es geschafft.
Mist.
Ich setze ein Lächeln auf und fahre rückwärts die Einfahrt wieder hinauf. Mom und Dad parken neben mir. Trish öffnet die Fondtür und springt aus dem Auto, ein erleichtertes Lächeln auf dem Gesicht.
»Ich bin so froh, dass du da bist«, sagt sie. Sie hebt etwas hoch, damit ich es sehen kann. »Wir haben nach der Messe Doughnuts gekauft. Sie sind noch ganz warm. Du kommst genau richtig.«
Sie zeigt mir eine braune Papiertüte.
Kapitel 38
Trish hakt sich bei mir unter und zieht mich die Vordertreppe hinauf. Mom hat immer noch kein Wort gesagt, doch an der Tür küsst Dad mich auf die Wange und drückt kurz meinen Arm. »Wir freuen uns, dich zu sehen, Schätzchen.«
Ich weiß, dass er das aufrichtig meint, aber ich bin wie vor den Kopf geschlagen von der Neuigkeit, dass sie wieder zur Kirche gehen. Unwillkürlich platze ich heraus: »Seit wann geht du und Mom .... ?« Ich deute auf die Tüte.
Er blickt einen Moment lang verwirrt drein, dann lächelt er. »Seit wann wir wieder zur Kirche gehen? Ich weiß nicht genau, Anna, schon sehr lange.«
Mom findet die Sprache wieder. »Ungefähr seit der Zeit, als du ausgezogen bist.«
Albern, ich weiß, aber ich fühle mich hintergangen. »Ihr habt das nie erwähnt.«
»Hätten wir es dir denn sagen sollen?«, entgegnet Mom.
Ich stottere ein wenig. »Tja, äh .... ja.«
Sie sieht mich mit einem leichten, verwunderten Stirnrunzeln an. »Warum sollte es dich interessieren, dass wir wieder zur Kirche gehen? Du warst im College und hast im Strandhaus deiner Großmutter gewohnt. Wir haben dich kaum mehr zu Gesicht bekommen. In den letzten paar Monaten haben wir dich öfter gesehen als in den fünf Jahren davor.«
Das stimmt, und das
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